RVG VV Nr. 4141
Leitsatz
- Die Frist in Anm. Abs. 1 Nr. 3 Hs. 2 zu Nr. 4141 VV ist teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass sie nur auf die Rücknahme der Berufung seitens des Angeklagten Anwendung findet.
- Zur Mitwirkung i.S.v. Nr. 4141 VV, wenn der Angeklagte Revision und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt haben.
LG Dresden, Beschl. v. 26.11.2009–15 Qs 52/09
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet. Der Angeklagte war zunächst vom AG verurteilt worden. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde das Urteil abgeändert. Auf die Revision des Angeklagten wurde das Urteil des LG aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen. Dort wurde Termin zur Berufungshauptverhandlung auf den 12.1.2009 festgesetzt. Mit Schriftsatz v. 9.1.2009 wurde die Berufung der Staatsanwaltschaft zurückgenommen. Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.
Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin gegenüber der Landeskasse die Festsetzung der Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren i.H.v. 216,00 EUR (Nr. 4124 VV) und der Gebühr für die entbehrliche Hauptverhandlung i.H.v. 216,00 EUR (Nr. 4141 VV) nebst Auslagen und Umsatzsteuer.
Das AG hat den Kostenfestsetzungsantrag insgesamt zurückgewiesen.
Der Erinnerung hat das Gericht teilweise abgeholfen und die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren i.H.v. 216,00 EUR (Nr. 4124 VV) zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer festgesetzt. Im Übrigen (Gebühr für die Hauptverhandlung i.H.v. 216,00 EUR, Nr. 4141 VV, zuzüglich Mehrwertsteuer) hat das Gericht die Erinnerung zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Vergütungstatbestand aus Nr. 4141 VV nicht erfüllt sei. Zwar liege ein Berufungsverfahren, das durch Berufungsrücknahme der Staatsanwaltschaft erledigt worden sei, vor, doch sei die Berufungsrücknahme nicht rechtzeitig i.S.d. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV erfolgt.
Gegen diese Entscheidung hat der Verteidiger Beschwerde eingelegt und ausgeführt, die Gebühr sei antragsgemäß festzusetzen, da der Verteidiger an der Rücknahme des Rechtsmittels aufgrund der eingelegten Revision, der entsprechenden Revisionsbegründung sowie der Gegenerklärung mitgewirkt habe. Die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft die Berufung kurz vor der Hauptverhandlung zurückgenommen hatte, könne nicht ausschlaggebend sein. Die Mitwirkung des Verteidigers müsse honoriert werden.
Die Beschwerde, der das AG nicht abgeholfen hat, hatte Erfolg.
Aus den Gründen
Der Tatbestand für die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV, sog. Befriedungsgebühr, ist erfüllt.
Zum einen findet die in Anm. Abs. 1 Nr. 3, 2. Hs. zu Nr. 4141 VV geregelte Frist hier keine Anwendung, zum anderen hat der Verteidiger an der Rücknahme der Berufung seitens der Staatsanwaltschaft mitgewirkt.
Nach Anm. Abs. 1 Nr. 3, 2. Hs. zu Nr. 4141 VV entsteht die zusätzliche Gebühr u.a., wenn sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme der Berufung des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten erledigt. Ist bereits ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt, so entsteht die Gebühr nach Hs. 2 nur, wenn die Berufung früher als zwei Wochen vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war, zurückgenommen wird. Entscheidend für die Fristwahrung ist der Eingang der Rücknahmeerklärung bei Gericht.
Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, den Anreiz zu erhöhen, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, und damit zu weniger Hauptverhandlungen zu führen. Wird diese rechtzeitig durch die Tätigkeit des Verteidigers entbehrlich, ist damit das gesetzgeberische Ziel erreicht, dass das Gericht eine Hauptverhandlung vorbereiten und durchführen muss, für die dem Verteidiger eine erneute Terminsgebühr zustehen würde. Der Gesetzgeber honoriert dies anders als im Fall der Berufungsrücknahme in der laufenden Hauptverhandlung oder während einer Unterbrechung.
a) Vorliegend hat sich das Berufungsverfahren durch Rücknahme der Berufung seitens der Staatsanwaltschaft erledigt.
b) Zwar erfolgte diese Rücknahme erst am 9.1.2009, d.h. nur drei Tage vor dem anberaumten Hauptverhandlungstermin am 12.1.2009, und somit nicht in der von Anm. Abs. 1 Nr. 3, 2. Hs. zu Nr. 4141 VV geforderten Frist, doch ist diese Fristenregelung teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass sie nur auf die Rücknahme der Berufung seitens des Angeklagten Anwendung findet.
Der Wortlaut der Norm selbst erfasst auch die Rücknahme eines Rechtsmittels anderer Verfahrensbeteiligter, allerdings ist der Gesetzestext dahingehend planwidrig zu weit geraten, soweit er die Frist für die Rechtzeitigkeit der Rechtsmittelrücknahme auch auf Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft erstreckt.
Eine Anwendung auch auf das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft würde es in die Hand der Staatsanwaltschaft legen, ob die Befriedungsgebühr nach Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV entsteht oder nicht. Nach Sinn und Zweck der Frist, nämlich einen...