FGG-ReformG Art. 111; FamFG §§ 111 Nr. 10, 266 Nr. 3; ZPO §§ 36 Abs. 1 Nr. 6, 28
Leitsatz
Wurde vor dem 1.9.2009 ein Prozesskostenhilfeantrag in einer Zivilsache gestellt, für die ab dem 1.9.2009 das FamG zuständig ist, und ist der Antrag nicht bis zum 30.8.2009 beschieden worden, hat nunmehr das FamG über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.11.2009–1 W 57/09
Sachverhalt
Der Antragsteller beabsichtigt, gegen die Antragsgegnerin, seine geschiedene Ehefrau, eine Klage auf Gesamtschuldnerausgleich wegen zwei in der Ehezeit gemeinsam aufgenommener Darlehen zu erheben. Hierfür hat er beim LG im April 2009 seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingereicht. Über diesen hat das LG noch nicht entschieden. Der Klageentwurf wurde bis heute nicht zugestellt.
Das LG hat mit Verfügung v. 15.9.2009 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass durch Inkrafttreten des FamFG am 1.9.2009 nicht mehr das LG, sondern das FamG zuständig sei. Der Antragsteller hat daraufhin mit Schriftsatz v. 28.9.2009 die Abgabe an das zuständige FamG beantragt. Die Antragsgegnerin teilte unter dem 8.10.2009 mit, gegen die Verweisung bestünden keine Bedenken. Das LG hat daraufhin beschlossen: "Das Landgericht Braunschweig gibt die Sache innerhalb des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens auf Antrag des Antragstellers an das AG – Familiengericht – ab." Im Beschluss ist zur Begründung ausgeführt, dass seit dem 1.9.2009 gem. Art. 111 FGG-ReformG das FamG zuständig sei, weil der Prozesskostenhilfeantrag v. 8.4.2009 "keine relevante Verfahrenseinleitung" darstelle.
Das FamG hat sich ebenfalls für unzuständig erklärt. Es vertritt in dem Beschluss die Auffassung, der Prozesskostenhilfeantrag sei eine Einleitung des Verfahrens i.S.v. Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG auch bezüglich der Klage. Daraufhin hat sich der Antragsteller an das OLG mit dem Antrag gewandt, das zuständige Gericht zu bestimmen.
Aus den Gründen
Der Antrag ist zulässig. Dass er vom Antragsteller und nicht unmittelbar durch eines der am negativen Kompetenzkonflikt nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO beteiligten Gerichte gestellt worden ist, ist unschädlich (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2009, 2021; Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 37 Rn 1).
Das OLG ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen, da es für beide am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte das im Rechtszug zunächst höhere Gericht ist.
Zuständig ist das FamG.
1. Das FamG ist schon deshalb zuständig, weil das LG das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nach Anhörung der Parteien durch mit einer Begründung versehenen Beschluss an das FamG verwiesen und nicht lediglich formlos abgegeben hat. In der Sache liegt damit ein entsprechend §§ 17a Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 GVG, 281 Abs. 2 S. 3 ZPO bindender Verweisungsbeschluss vor (vgl. Musielak/Vittschier, ZPO, 7. Aufl., § 17a GVG Rn 23). Dass darin "§ 281 ZPO" nicht zusätzlich ausdrücklich angeführt worden ist, ist insoweit unerheblich (vgl. Musielak/Foerste, a.a.O., § 281 ZPO Rn 15). Auch eine im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ausgesprochene Verweisung ist für das Gericht, an das verwiesen worden ist, grundsätzlich bindend (BGH NJW-RR 2004, 1437; BGH NJW 2001, 3633; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 281 Rn 9 m. w. Nachw.; Prütting/Gehrlein, ZPO, § 281 Rn 8).
2. Der Verweisungsbeschluss ist auch nicht wegen objektiver Willkürlichkeit ohne Bindungswirkung. Das LG hat die förmlichen Voraussetzungen der Verweisung (§§ 17a Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 GVG, 281 ZPO) eingehalten. Die Begründung des Verweisungsbeschlusses, bei dem Prozesskostenhilfeantrag handele es sich um keine Verfahrenseinleitung i.S.v. Art. 111 FGG-ReformG, ist zutreffend, zumindest aber vertretbar, was für die vorliegende Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO maßgeblich ist
Gem. §§ 111 Nr. 10, 266 Abs. 1 Nr. 3 des zum 1.9.2009 in Kraft getretenen FamFG handelt es sich bei der beabsichtigten Klage auf Gesamtschuldnerausgleich wegen zwei in der Ehezeit gemeinsam aufgenommener Darlehen, für die Prozesskostenhilfe begehrt wird, um eine Familiensache (Keidel/Giers, FamFG, 16. Aufl., § 266 Rn 14).
Nach §§ 76 Abs. 1 FamFG, 117 Abs. 1 ZPO ist das Gericht der Hauptsache für die Entscheidung über die für eine beabsichtigte Klage beantragte Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe zuständig. Diese Zuständigkeit ist mit Ablauf des 31.8.2009 vom LG auf das FamG übergegangen, da eine anderslautende Übergangsvorschrift nicht eingreift.
Gem. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-ReformG sind auf die Verfahren, deren Einleitung bis zum 1.9.2009 beantragt worden ist, weiterhin die bis zum 1.9.2009 geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden. Laut Art. 111 Abs. 2 FGG-ReformG sind die von Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG erfassten selbstständigen Verfahren solche gerichtliche Verfahren, die mit einer Endentscheidung abgeschlossen werden.
Das – wie hier lediglich eingeleitete – Verfahren zur Prüfung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist kein Verfahren i.S.d. Übergangsregelung des Art. 111 Abs. 1 FG...