1. Fehlen einer rechtskräftigen Entscheidung
Wurde in dem ursprünglichen Kostenfestsetzungsverfahren nur eine um die hälftige Geschäftsgebühr gekürzte Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht, kann im Rahmen der Nachfestsetzung der nicht geltend gemachte Teil dieser Verfahrensgebühr beantragt und festgesetzt werden.
Zu beachten ist bei der Nachfestsetzung jedoch, dass auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse sowohl in formeller als auch materieller Rechtskraft erwachsen können, so dass keine erneute Entscheidung über denselben Streitgegenstand (Erstattungsanspruch) ergehen darf. Kostenfestsetzungsbeschlüsse können jedoch nur hinsichtlich zu- oder aberkannter Kosten formell und materiell rechtskräftig werden. Die Rechtskraft steht daher einem Antrag auf Nachfestsetzung dann nicht entgegen, wenn mit diesem Antrag ein bisher nicht geltend gemachter Posten erstmals zur Festsetzung angemeldet wird. Hierzu gehören auch die Fälle, in denen zunächst nur eine um die hälftige Geschäftsgebühr geltend gemachte Verfahrensgebühr beantragt wurde. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der rechtskräftige Kostenfestsetzungsbeschluss über die Verfahrensgebühr als solche entschieden habe, weil sich diese Entscheidung nicht auf den Anspruch als solchen, sondern sich nur auf den geltend gemachten Umfang bezieht. Schließlich kann die Nachfestsetzung auch nicht mit Hinblick auf ältere Rspr. des BGH, wonach die Regelung des § 15a RVG eine Gesetzesänderung darstelle und deshalb bis zum Inkrafttreten dieser Regelung überhaupt kein Anspruch auf eine höhere Verfahrensgebühr bestanden habe, verwehrt werden, weil durch die jüngere Rspr. des BGH (vgl. I Nr. 2) festgestellt wurde, dass mit der Einführung des § 15a RVG lediglich eine Klarstellung erfolgt sei, so dass der Anspruch auf eine höhere Verfahrensgebühr auch vor Inkrafttreten des § 15a RVG bestanden hat.
2. Umfang der nachfestzusetzenden Kosten
Im Rahmen der Nachfestsetzung kann der bisher nicht geltend gemachte Teil der Verfahrensgebühr und gegebenenfalls die darauf entfallende Umsatzsteuer geltend gemacht werden.
A klagt gegen B wegen Forderung von 6.000,00 EUR. Der Anwalt des A war bereits außergerichtlich tätig. Der Klage wird stattgegeben und B verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Anwalt des A stellt im Jahr 2008 Antrag auf Kostenfestsetzung. Dabei werden durch ihn folgende Kosten geltend gemacht:
1. |
0,65-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 6.000,00 EUR) |
219,70 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 6.000,00 EUR) |
405,60 EUR |
3. |
Post- und Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
4. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV, 19 % aus 645,30 EUR |
122,61 EUR |
|
Gesamt |
767,91 EUR |
Das Gericht erlässt daraufhin im Jahr 2008 Kostenfestsetzungsbeschluss, durch den die Kosten antragsgemäß auf 767,91 EUR festgesetzt werden.
Im März 2011 beantragt der Rechtsanwalt des A im Wege der Nachfestsetzung, auch den zunächst nicht geltend gemachten Teil der Verfahrensgebühr gegen den unterlegenen B festzusetzen.
Dabei können noch geltend gemacht werden:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 6.000,00 EUR) |
439,40 EUR |
2. |
abzgl. bereits festgesetzter 0,65-Verfahrensgebühr |
219,70 EUR |
3. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV, 19 % aus 219,70 EUR |
41,74 EUR |
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Gesamt |
261,44 EUR |
Diese Kosten sind von dem Gericht durch Kostenfestsetzungsbeschluss nachträglich festzusetzen.
3. Verbot der Nachfestsetzung bei erlassener Entscheidung
Ein Verbot der nachträglichen Festsetzung besteht daher nur in solchen Fällen, in denen das Gericht ausdrücklich entschieden hat, dass die anteilige Geschäftsgebühr in Abzug zu bringen ist. Das dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn zunächst eine ungekürzte Verfahrensgebühr beantragt wurde und das Gericht, ohne dass der Antrag zuvor berichtigt wurde, eine hälftige Geschäftsgebühr in Abzug gebracht hat, da in diesen Fällen eine rechtskräftige Entscheidung über die gesamte Verfahrensgebühr vorliegt. Ist ein solcher Kostenfestsetzungsbeschluss unrichtig, etwa weil überhaupt keine Anrechnungstatbestände des § 15a Abs. 2 RVG vorgelegen haben, kann sie nur im Rahmen der zulässigen Rechtsbehelfe (Erinnerung oder sofortige Beschwerde) angegriffen werden. Die Frist zu ihrer Einlegung beträgt zwei Wochen (§ 104 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO; § 11 Abs. 2 RPflG), ist sie bereits abgelaufen, kommt eine Anfechtung nicht mehr in Betracht.
Beispiel: Unzulässige Nachfestsetzung
A klagt gegen B wegen Forderung von 6.000,00 EUR. Der Anwalt des A war bereits außergerichtlich tätig. Der Klage wird stattgegeben und B verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Anwalt des A stellt im Jahr 2008 Antrag auf Kostenfestsetzung....