Aussprechen des einen ist Ausschluss des anderen. Endlich hat der BGH noch einmal das ausgesprochen, was bereits seit dem 1.9.2009 eindeutig im Gesetz steht. Nichts anderes. Schlimm genug, dass erst eine höchstrichterliche Entscheidung erforderlich ist, um viele Gerichte an das Lesen bereits eineinhalb Jahre alter Gesetzesvorschriften zu erinnern. Nichtsdestotrotz: Die Entscheidung des BGH ist in jeder Hinsicht gut begründet und deshalb zu begrüßen, weil mit ihr dem falschen Rechtsverständnis einer Vielzahl von Oberlandesgerichten begegnet wird und erwartet werden darf, dass diese Praxis jetzt beendet ist.
§§ 628, 623 ZPO a.F.:
"Soweit in Familiensachen des § 621 Abs. 1 Nr. 5 bis 9 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen ist ..., ist hierüber gleichzeitig und zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und, ..., zu entscheiden (Folgesachen)."
§ 137 Abs. 5 S. 1 FamFG:
"Abgetrennte Folgesachen nach Abs. 2 bleiben Folgesachen."
Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-ReformG:
"... auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden.... Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbstständige Familiensachen fortgeführt."
Wenn es auch eindeutiger kaum geht, hat der BGH genau das, was Gesetz war und ist, in seinem Beschluss nochmals bekräftigen und entscheiden müssen:
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Ein vom Scheidungsverbund abgetrenntes Versorgungsausgleichsverfahren bleibt grundsätzlich Folgesache (§ 137 Abs. 5 S. 1 FamFG). |
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Alle Verfahren zum Versorgungsausgleich, die am 1. 9. 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder bis zum 31. 8. 2010 abgetrennt worden sind, werden als selbstständige Familiensachen fortgeführt (Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-ReformG). |
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Mit dem Wegfall der Qualifikation als Folgesache entfällt auch die Erstreckung der bewilligten Prozesskostenhilfe nach § 624 Abs. 2 a.F. auf den Versorgungsausgleich. |
Daraus ergeben sich für den BGH weitere, leider nicht zum Leitsatz erkorene, aber dennoch in jeder Hinsicht zutreffende Schlussfolgerungen:
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Gebührenrechtlich sind Verfahren über den Versorgungsausgleich, die die Voraussetzungen des Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RefomrG erfüllen, gegenüber dem Verbundverfahren neue Angelegenheiten, für die ein Rechtsanwalt gesonderte Gebühren erhält. |
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Die selbstständig fortgeführte Versorgungsausgleichssache ist nach § 21 Abs. 3 RVG allerdings zusammen mit der ursprünglichen Folgesache eine Angelegenheit. Bereits im Scheidungsverbund aus dem Wert des Versorgungsausgleichs verdiente und abgerechnete Gebühren sind daher gutzuschreiben. |
Nach der Entscheidung des BGH steht jetzt fest, dass sich wieder aufgenommene Verfahren ausschließlich nach neuem Verfahrens- und Kostenrecht (FamFG und FamGKG) richten. Für die Verfahrenswertbemessung ist auf den Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags, nicht auf die Wiederaufnahme abzustellen. Grundlage der Abrechnung ist stets das RVG, unabhängig davon, welche Gebühren im Scheidungsverfahren abzurechnen waren. Die im Scheidungsverfahren bewilligte Prozesskostenhilfe erstreckt sich nicht auf das abgetrennte Verfahren. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens ist ein neuer Verfahrenskostenhilfe- nebst Beiordnungsantrag zu stellen.
Die Entscheidung des BGH sollte für Anwälte, insbesondere Richter, Veranlassung genug sein, zukünftig die anzuwendende Gesetzesvorschrift erst einmal zu lesen. Das wird man doch auch bei Oberlandesgerichten erwarten und voraussetzen dürfen, obwohl … Es bleibt also zu hoffen, dass der BGH sich nun mehr mit Rechtssachen von wahrhaft grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beschäftigen muss und nicht zur Wiederholung von Gesetzestexten missbraucht wird.