BGB § 249;;RVG § 15 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
Ist der Anwalt noch nicht mit der Klageerhebung beauftragt, sondern soll er zunächst noch einmal außergerichtlich tätig werden, dann gehören die Kosten für eine Deckungsschutzanfrage beim Rechtsschutzversicherer jedenfalls dann nicht zu den ersatzfähigen Kosten, wenn der Gegner außergerichtlich reguliert und es nicht mehr zum Klageauftrag kommt.
LG Münster, Urt. v. 4.5.2010 – 3 S 12/10
1 Sachverhalt
Der Kläger nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer auf Freistellung von seinen Anwaltskosten für die Einholung einer Deckungsschutzanfrage in Anspruch.
Der beklagte Haftpflichtversicherer hatte zunächst dem Kläger mitgeteilt, dass er den Schaden lediglich zu 50 % regulieren werde. Daraufhin beauftragte der Kläger seine damaligen Verfahrensbevollmächtigten, Ansprüche gegen den Beklagten geltend zu machen und eine Deckungsschutzzusage einzuholen. Die Verfahrensbevollmächtigten forderten den Beklagten mit Schreiben vom selben Tage unter Fristsetzung zur Zahlung des restlichen Schadensbetrages auf und wandten sich gleichzeitig an den Rechtsschutzversicherer des Klägers mit der Bitte um eine Deckungsschutzzusage.
Im weiteren Verlauf zahlte der Beklagte den vollen Schaden, so dass keine Klage mehr erhoben wurde.
Die Kosten der Haftpflichtregulierung zahlte der Beklagte ebenfalls.
Darüber hinaus verlangte der Kläger auch die Kosten für die Einholung der Deckungsschutzzusage, einer Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer erstattet. Dies lehnte die Beklagte ab.
Das AG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Ersatzanspruch entfalle, weil der Kläger gegen § 254 BGB verstoßen habe. Da der Kläger den Beklagten durch seinen Anwalt nochmals außergerichtlich zur Regulierung aufgefordert und eine Frist gesetzt habe, hätte er nicht sofort am selben Tage die Deckungsschutzanfrage stellen dürfen. Dazu habe keine Notwendigkeit bestanden. Vielmehr sei es ihm zuzumuten gewesen, den Ablauf der selbst gesetzten Frist zunächst abzuwarten, bevor weitere Kosten verursacht würden.
Mit der vom AG zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht liege nicht vor, da nach der Ablehnung einer Zahlung von mehr als 50 % nicht damit zu rechnen gewesen sei, dass die Beklagte den Schaden vollständig begleichen werde.
2 Aus den Gründen
Es kann dahinstehen, ob der Kläger verpflichtet ist, an seine damaligen Anwälte Anwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage zu zahlen. Auch wenn die Beklagte nach eingetretenem Verzug verpflichtet war, die erforderlichen Kosten der Rechtsverfolgung des Klägers zu tragen, so besteht ein Anspruch auf Freistellung von den Kosten der Einholung der Deckungszusage deshalb nicht, weil es insoweit nicht erforderlich war, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Die damaligen Anwälte des Klägers sind aufgrund dessen Auftrags tätig geworden, indem sie zeitgleich am selben Tag sowohl ein Anspruchsschreiben an den Beklagten richteten als auch die Zusage vom Rechtsschutzversicherer des Klägers einholten.
Da der Kläger als Industriekaufmann des Lesens, Schreibens und Telefonierens kundig ist und nach seinem Beruf auch keine Berührungsängste haben dürfte, sich an seine Rechtsschutzversicherung zu wenden, um seinen Obliegenheiten zu genügen, hätte er sich eine Abschrift des an den Beklagten gerichteten Schreibens seiner Anwälte aushändigen lassen und dies mit einem einzigen Hinweis darauf, dass er einen Anwalt beauftragt habe, übersenden können. Die Versicherung hätte ihm dann seinem Anspruch entsprechend die Deckungszusage erteilt. Von jedem Rechtsgenossen mit durchschnittlicher Begabung und Befähigung kann erwartet werden, dass er diese Kleinigkeit selber erledigt, statt unverhältnismäßige Kosten zu produzieren, um diese vom Gegner ersetzt zu verlangen. Für die Einholung der Deckungszusage bedurfte es nämlich keiner weiteren rechtlichen Überlegungen, als dass sich aus dem Versicherungsvertrag die Obliegenheit ergeben konnte, dem Versicherer die beabsichtigte Rechtsverfolgung anzuzeigen. Dass eine Prüfung erfolgen musste, ob überhaupt grundsätzlich Versicherungsschutz bestand, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine solche Prüfung war auch nicht erforderlich. Insoweit reichte eine Erklärung bei dem Versicherer aus. Es konnten durch eine etwa unberechtigte Anfrage gegenüber dem Versicherer keine dem Versicherer zu ersetzenden Kosten entstehen. Es konnte ohne weiteres abgewartet werden, ob die Deckungszusage eingeht. Erst wenn wieder Erwarten sich hierbei Schwierigkeiten ergeben hätten, wäre es gegebenenfalls geboten gewesen, anwaltliche Hilfe einzuholen.
Es kann auch nicht damit argumentiert werden, dass dem an den Beklagten gerichteten Anspruchsschreiben rechtliche Überlegungen vorausgegangen sind, die der Kläger selber möglicherweise nicht anstellen konnte, jedenfalls aber einholen durfte. Diese Überlegungen sind nämlich eingegangen in das Anspruchsschreiben gegenüber der Beklagten, für welches sie erforderlich waren und wofür die – erstattete – Geschäftsgebühr angef...