ZPO § 97; RVG § 17 Nr. 1

Leitsatz

Ist nach Einreichung einer Schutzschrift durch einen Rechtsanwalt der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen worden und hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg, können dem Rechtsanwalt keine Gebührenansprüche für die Vertretung des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren entstehen, wenn er und der Antragsgegner bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens von der Beschwerde keine Kenntnis hatten.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.1.2019 – 6 W 99/18

1 Sachverhalt

Die Parteien haben in einem einstweiligen Verfügungsverfahren in einer Designstreitigkeit vor dem LG gestritten. Streitgegenstand war die Verletzung eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Antragstellerin durch von den Antragsgegnerinnen vertriebene Schuhsohlen.

Die Antragsgegnerinnen hatten unter dem 11.10.2016 – nachdem sie vorher abgemahnt worden waren – eine Schutzschrift hinterlegt. Den auf Erlass einer einseitigen Verfügung gerichteten Antrag der Antragstellerin vom 14.11.2016 hat das LG mit Beschl. v. 30.11.2016 zurückgewiesen. Der hiergegen eingelegten Beschwerde der Antragstellerin hat das LG vom 12.12.2016 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt, der die Beschwerde mit Beschl. v. 20.12.2016 zurückgewiesen hat.

Unter dem 24.8.2017 haben die Antragsgegnerinnen ein Kostenfestsetzungsantrag gestellt, mit dem sie die Festsetzung der Kosten für rechtsanwaltliche und patentanwaltliche Vertretung sowohl für das erstinstanzliche Verfügungsverfahren als auch für das Beschwerdeverfahren begehrt. Das LG hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss v. 17.4.2018 die erstinstanzlichen Kosten für die rechtsanwaltliche und patentanwaltliche Vertretung der Antragsgegnerin in Höhe jeweils einer 1,3-Verfahrensgebühr festgesetzt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das LG hingegen abgesetzt, da eine Beteiligung der Antragsgegnerinnen an dem Beschwerdeverfahren nicht ersichtlich sei.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 26.4.2018 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie die Absetzung der Patentanwaltskosten sowie im Hinblick auf eine anhängige Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf § 50 Abs. 2 DesignG die Aussetzung des Rechtsstreits begehrt.

Am 8.5.2018 haben die Antragsgegnerinnen sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt, mit der sie sich gegen die Absetzung der Gebühren für das Beschwerdeverfahren wenden.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache insoweit dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

2 Aus den Gründen

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerinnen hat in der Sache keinen Erfolg. Der Rechtspfleger des LG hat zu Recht eine Erstattung Rechts- und Patentanwaltskosten der Antragsgegnerinnen in Beschwerdeverfahren abgelehnt.

Über die Beschwerde war gem. § 568 ZPO durch den Einzelrichter zu entscheiden, da die in S. 2 dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Rechtspfleger des LG hat zu Recht die Kosten der Antragsgegnerinnen für Patent- und Rechtsanwalt abgesetzt. Die 0,5-Gebühren der Nr. 3500 VV sind nicht entstanden.

Nach § 17 Nr. 1 RVG sind das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug verschiedene Angelegenheiten, sodass jede Instanz grds. als ein Rechtszug i.S.v. § 17 Nr. 1 RVG zu behandeln ist. Wird die Entscheidung der ersten Instanz (ein Rechtszug) Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens (neuer Rechtszug), so sind zwei Rechtszüge gegeben. Das gilt nicht nur für Berufungen und Revisionen, sondern auch für Beschwerden. Dabei ist es gleichgültig ob die angegriffene Entscheidung eine die Instanz beendende Entscheidung oder nur eine Zwischenentscheidung ist (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 17 Rn 8–10).

Dementsprechend erfordert die Auslösung der jeweils neuen Gebühr auch jeweils ein (neues) Tätigwerden in dieser Angelegenheit. Die Gebühr entsteht nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Entgegennahme der Information. Eine nach außen gerichtete Tätigkeit des Anwalts ist nicht erforderlich, sodass es auch der Einreichung eines Schriftsatzes nicht bedarf (OLG Koblenz AGS 2016, 102). Die Fertigung des Entwurfs einer Beschwerdeerwiderung und deren Übersendung an die Mandantschaft lässt die Gebühr bereits entstehen (OLG Naumburg AGS 2017, 106). Auch die Prüfung, ob nach Erhalt der Beschwerdeschrift etwas für die Mandantschaft zu veranlassen ist, lässt die Gebühr entstehen (OLG Jena IBRRS 2016, 0430). Voraussetzung ist aber neben der anwaltlichen Tätigkeit stets auch eine ordnungsgemäße Beauftragung. Dass der Anwalt eine Prüfungstätigkeit vorgenommen hat, darf jedoch nicht ohne weiteres unterstellt werden. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, insoweit Vermutungen anzustellen (OLG Jena IBRRS 2016, 0430).

An dem hierfür notwendigen Vortrag der Antragsgegnerinnen fehlt es hier. Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, dass ihre Rechts- und Patentanwälte im Beschwerdeverfahren irgendwelche – auch in...

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