RVG § 32; GKG §§ 63, 68
Leitsatz
Eine Anschlussstreitwertbeschwerde eines Rechtsanwalts ist möglich.
VGH Kassel, Beschl. v. 28.11.2018 – 6 E 2034/18
1 Sachverhalt
Durch Beschl. v. 10.9.2018 hat das VG die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig eine unter dem Vorbehalt des Widerrufs stehende Bescheinigung nach Artikel 29 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 31.12.2018 auszustellen. Der Wert des Streitgegenstandes ist auf 100.000,00 EUR festgesetzt worden. Die Antragsgegnerin hat auf den am 14.9.2018 zugestellten Beschluss am 27.9.2018 Streitwertbeschwerde erhoben; der bevollmächtigte Rechtsanwalt der Antragstellerin hat am 5.10.2018 Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung erhoben. Während die Antragsgegnerin die Reduzierung des Streitwerts auf 5.000,00 EUR begehrt, beantragt der Anschlussbeschwerdeführer die Festsetzung des Streitwerts auf 200.000,00 EUR.
2 Aus den Gründen
Sowohl die Streitwertbeschwerde der Antragsgegnerin (vgl. § 68 Abs. 1 S. 1 u. 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG) als auch die des bevollmächtigten Rechtsanwalts der Antragstellerin (vgl. § 32 Abs. 2 S. 1 RVG) sind zulässig. Auch für den bevollmächtigten Rechtsanwalt ist die in § 63 Abs. 3 S. 2 GKG enthaltene Frist für die Einlegung der Beschwerde maßgeblich und nicht die des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG, denn das VG hat im Beschl. v. 10.9.2018 nicht den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit (vgl. § 33 Abs. 1 RVG), sondern den Wert für die zu erhebenden (Gerichts-)Gebühren festgesetzt (vgl. § 63 Abs. 2 S. 1 GKG).
Der Zulässigkeit der (Anschluss-)Beschwerde des bevollmächtigten Rechtsanwalts steht nicht entgegen, dass das Beschwerdegericht gem. § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG berechtigt ist, von Amts wegen – ggfs. auch zum Nachteil des Streitwertbeschwerdeführers – den Streitwert zu ändern (a.A. Sächsisches OVG, Beschl. v. 23.7.2009 – 5 E 79/09, juris Rn 12), denn die Entscheidung nach § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG steht zumindest nach dessen eindeutigem Wortlaut im Ermessen des Beschwerdegerichts (vgl. in diesem Sinne auch BSG, Beschl. v. 19.9.2006 – B 6 KA 30/06 B, juris Rn 6 mit Nachweisen zum unterschiedlichen Meinungsstand), während das Beschwerdegericht im Falle einer Streitwertbeschwerde eine Entscheidung entsprechend der Rechtslage zu treffen hat (hält man im Hinblick auf § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG eine Anschlussbeschwerde für unzulässig, so könnte mit gleicher Begründung auch die (Ausgangs-)Beschwerde als unzulässig gewertet werden, was angesichts des § 68 Abs. 1 S. 1 GKG aber nicht vertretbar ist).
Die Streitwertbeschwerde der Antragsgegnerin ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. …
3 Anmerkung
Wieso der VGH die Streitwertbeschwerde des Anwalts als Anschlussbeschwerde behandelt hat, ist nicht nachzuvollziehen. Es handelte sich wohl eher um eine eigenständige Beschwerde des Anwalts, zumal für ihn die Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen und die erforderliche Beschwer gegeben war.
Dafür besteht schon deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis, weil die Antragsgegnerin jederzeit ihre Beschwerde hätte zurücknehmen können, sodass der VGH keine Möglichkeit gehabt hätte, von der Möglichkeit des § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG Gebrauch zu machen.
Auf die Frage, ob das GKG auch eine unselbstständige Anschlussbeschwerde zulässt, kam es hier nicht an. Dies dürfte wohl zu verneinen sein, weil das GKG eine solche unselbständige Anschlussbeschwerde nicht vorsieht.
Norbert Schneider
AGS 3/2019, S. 127