BGB § 249
Leitsatz
- Der dem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich auch den Ersatz der durch das Schadensereignis entstandenen Rechtsverfolgungskosten, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.
- Bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Kosten kann sich eine etwaige Geschäftsgewandtheit des Geschädigten auswirken. Der Geschädigte hat sein Wissen bei der erstmaligen Geltendmachung des Schadens einzusetzen, wenn es sich um einen einfachen zweifelsfreien Fall handelt. Handelt es sich hingegen nicht um einen einfach gelagerten Fall, ist der Geschädigte, gleich ob Privatperson, Behörde oder Unternehmen, ungeachtet etwaiger Erfahrungen und Fachkenntnisse zur eigenen Mühewaltung bei der Schadensabwicklung nicht verpflichtet.
BGH, Urt. v. 29.10.2019 – VI ZR 45/19
1 Sachverhalt
Die Klägerin, ein großes, international tätiges Autovermietungsunternehmen, nimmt die Beklagte auf restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. Die volle Haftung der Beklagten für den Unfallschaden steht dem Grunde nach außer Streit.
Die Klägerin hat den Reparaturschaden fiktiv – auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens – i.H.v. 1.443,78 EUR netto abgerechnet. Hiervon hat die Beklagte 1.318,11 EUR erstattet. Nicht ersetzt hat sie den nunmehr mit der Klage geltend gemachten Differenzbetrag von 125,67 EUR, der laut Abrechnung für UPE-Aufschläge, einen Kleinteilaufschlag und einen Teil der Lackmaterialkosten anfällt. Die Beklagte begründet dies damit, dass die Klägerin als großes Autovermietungsunternehmen bei Reparaturen Großkundenrabatte erhalte und deshalb diese Aufschläge und Kosten nicht anfielen. Den Großkundenrabatt müsse sich die Klägerin auch bei fiktiver Abrechnung anrechnen lassen.
Mit der Klage werden außerdem außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 281,30 EUR aus einem Gesamtschaden von 2.066,26 EUR geltend gemacht, in dem neben den Reparaturkosten i.H.v. 1.443,78 EUR auch Sachverständigenkosten, eine Auslagenpauschale und Schadensersatz wegen Wertminderung enthalten sind. Deren Ersatz hat die Beklagte mit der Begründung verweigert, es handle sich um einen einfach gelagerten Schadensfall und die Klägerin sei hinreichend geschäftlich gewandt, die Ansprüche selbst geltend zu machen. Allenfalls schulde die Beklagte außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten aus dem nicht regulierten Differenzbetrag.
Das AG hat der Klage überwiegend – mit Abstrichen beim Zinsausspruch – stattgegeben. Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag (mit Ausnahme vom AG zugesprochener und bereits mit der Berufung nicht mehr angegriffener Entziehungszinsen) weiter.
2 Aus den Gründen
II. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung seien (Großkunden-)Rabatte nicht schadensmindernd zu berücksichtigen. Die Klägerin habe daher nicht vorzutragen, ob und von wem sie Nachlässe (auf UPE-Aufschläge und auch sonst) erhalte. Anderenfalls werde im Ergebnis die grds. anzuerkennende Möglichkeit der fiktiven Schadensabrechnung in Frage gestellt, indem der fiktive, also übliche bzw. durchschnittliche Aufwand zu stark von den konkreten Fallumständen abhängig gemacht würde und zu diesem Zweck sogar die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast auf den Kopf gestellt würden. Im Allgemeinen genüge es im Rahmen der fiktiven Abrechnung, ein hinreichend ausführliches und begründetes Sachverständigengutachten vorzulegen. Das Postulat der subjektbezogenen Schadensbetrachtung sei nur insoweit ein Korrektiv, als es um die Erstattung wirtschaftlich regelrecht unvernünftiger Reparaturkosten gehe. Es handle sich nicht nur oder nicht in erster Linie um
III. Soweit das Berufungsgericht die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für erfüllt erachtet hat, hält das angefochtene Urteil der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Für die Bestimmung der Höhe der diesbezüglichen Ersatzforderung bedarf es indes noch der Bezifferung der der Klägerin zustehenden fiktiven Reparaturkosten als Teil des Gesamtschadens, die von den nachzuholenden Feststellungen zum Bestehen eines Großkundenrabatts abhängt.
1. Über den Ersatz der Rechtsanwaltskosten ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht deshalb bereits rechtskräftig entschieden, weil das Berufungsgericht die (in der Entscheidungsformel uneingeschränkt ausgesprochene) Zulassung der Revision in den Entscheidungsgründen ausschließlich mit der klärungsbedürftigen rechtlichen Behandlung von Großkundenrabatten begründet hat. Von einer beschränkten Zulassung der Revision kann hier schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Höhe der vom Berufungsgericht zugesprochenen Forderung auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten als Nebenforderung von der Höhe der Hauptforderung, mithin von der Anrechnung eines etwaigen Großkundenrabatts, abhängt.
2. Die Beurteilung de...