OWiG § 29a; RVG VV Nrn. 5100, 5113, 5114, 5116
Leitsatz
- Für die gerichtliche Vertretung in einem Einziehungsverfahren nach § 29a OWiG kann – neben der Verfahrensgebühr bei Einziehung Nr. 5116 VV – auch die Grundgebühr nach Nr. 5100 VV als Allgemeine Gebühr entstehen.
- Für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts allein im Einziehungsverfahren entstehen die Gebührentatbestände der Nrn. 5113 und 5114 VV nicht.
LG Freiburg, Beschl. v. 29.10.2019 – 16 Qs 30/19
1 Sachverhalt
Gegen den Betroffenen war wegen eines Verstoßes gegen die SpielV und die GewO ein selbstständiger Einziehungsbescheid gem. § 29a Abs. 1, Abs. 5, § 87 Abs. 6 OWiG über 31.299,99 EUR nebst Auslagen ergangen. Ein Bußgeldbescheid wurde nicht erlassen. Nach Anzeige der Vertretung des Betroffenen durch den jetzigen Prozessbevollmächtigten und Einspruch gegen den Einziehungsbescheid durch diesen wurde das gerichtliche Verfahren im ersten Rechtszug am AG durchgeführt und durch Urteil eine Einziehung i.H.v. 20.000,00 EUR angeordnet. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ordnete das OLG die endgültige Einstellung des Verfahrens an und legte die Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse zur Last.
Mit Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers begehrte dieser die Festsetzung der Gebühren Nrn. 5100, 5105, 5111, 5113 und der Gebühr Nr. 5116 VV aus einem Gegenstandswert von 31.303,49 EUR sowie Auslagen gem. Nrn. 7002, 7008 VV i.H.v. insgesamt 2.080,12 EUR. Später wurde der Antrag hinsichtlich der Umsatzsteuer zurückgenommen und die begehrte Festsetzung ergänzend auf die Nr. 5103 VV (statt Nr. 5105 VV) und 5109 VV (statt Nr. 5111 VV) gestützt.
Der Rechtspfleger am AG erließ einen Kostenfestsetzungsbeschluss. Mit diesem wurde dem Kostenfestsetzungsantrag nur hinsichtlich der Gebührentatbestände Nrn. 5116, 7002 VV entsprochen und eine Vergütung i.H.v. 958,00 EUR festgesetzt. I.Ü. wurde der Antrag zurückgewiesen. Die Entscheidung entspricht im Ergebnis den Stellungnahmen des Bezirksrevisors im Verfahren.
Gegen diese Kostenfestsetzung wendet sich der Betroffene mit sofortiger Beschwerde seines Verteidigers.
Mit der sofortigen Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsantrag weiterverfolgt. Der Beschwerdeführer geht nunmehr davon aus, dass neben den Gebühren Nrn. 5100, 5103, 5109 und 5113 VV die Gebühr Nr. 5116 VV zweimal – für die Tätigkeit im ersten Rechtszug und in der Rechtsbeschwerde – angefallen sei. Demgemäß begehrt er die Festsetzung von insgesamt 2.536,00 EUR.
2 Aus den Gründen
II. 1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers über die Kostenfestsetzung ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 464b S. 3, 304 Abs. 3 StPO die sofortige Beschwerde statthaft.
Das Rechtsmittel v. 23.4.2019 ist auch fristgerecht erfolgt. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 464b S. 4 StPO binnen zwei Wochen einzulegen. Diese Frist endete gem. § 43 Abs. 1 u. Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG mit Ablauf des 23.4.2019, da der vorhergehende Tag ein allgemeiner Feiertag (Ostermontag) war.
2. Die Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
a) Der Bevollmächtigte des Betroffenen war im Einziehungsverfahren vor dem Gericht des ersten Rechtzugs tätig. Daher entsteht vorliegend die Gebühr Nr. 5116 Abs. 1 VV.
Da der Bevollmächtigte zudem im Rechtsbeschwerdeverfahren tätig war, entsteht die Gebühr hierfür gem. Nr. 5116 Abs. 3 S. 2 VV besonders.
Diese 1,0 Verfahrensgebühr beträgt vorliegend im ersten Rechtszug 938,00 EUR (Gegenstandswert i.H.v. 31.303,49 EUR) und im zweiten Rechtszug 742,00 EUR (Gegenstandswert i.H.v. 20.000,00 EUR).
b) Es wird in Lit. u. Rspr. uneinheitlich beurteilt, ob über den Gebührentatbestand Nr. 5116 Abs. 1 VV hinaus weitere Vergütung nach den Nrn. 5100 bis Nr. 5114 VV anfallen kann, wenn die Tätigkeit des Verteidigers allein im Einziehungsverfahren erfolgt, ohne dass zugleich auch die Verhängung eines Bußgelds Teil der Angelegenheit ist. Teilweise wird dies verneint (Krumm, in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, Vorbem. 5, Rn 38; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.4.2012 – 1 AR 70/11, AGS 2013, 173; LG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2018 – 9 Qs 59/17, AGS 2018, 494; LG Kassel, Beschl. v. 15.5.2019 – 8 Qs 4/19, juris), nach a.A. bejaht (Burhoff, in: Gerold/Schmidt, 24. Aufl. 2019, RVG, § 5116 VV Rn 1; LG Oldenburg, Beschl. v. 7.12.2012 – 5 Qs 384/12, JurBüro 2013, 135; LG Karlsruhe, Beschl. v. 26.2.2013 – 3 Qs 6/13, AGS 2013, 230; LG Trier, Beschl. v. 8.8.2016 – 1 Qs 32/16).
c) Nach Auffassung der Kammer kann für die gerichtliche Vertretung in einem Einziehungsverfahren nach § 29a OWiG – neben der Verfahrensgebühr bei Einziehung Nr. 5116 VV – auch die Grundgebühr Nr. 5100 VV als Allgemeine Gebühr entstehen. Weitere Vergütung nach den Nr. 5101 bis Nr. 5114 VV fällt jedoch – jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation – nicht an:
aa) Die Entstehung der Grundgebühr Nr. 5100 VV ergibt sich aus dem Wortlaut und der Systematik des gesetzlichen Vergütungsverzeichnisses. Diese fällt nach der Regelungstechnik für jede Tätigkeit in einer vom Teil 5 VV erfassten Ange...