AktG §§ 304, 305; SpruchG § 1; RVG §§ 31 Abs. 2, 33
Leitsatz
- Vertritt der Rechtsanwalt im Spruchverfahren mehrere Antragsteller, so beträgt der Gegenstandswert für seine Tätigkeit gem. § 31 Abs. 2 RVG mindestens 5.000,00 EUR multipliziert mit der Zahl der von ihm vertretenen Antragsteller.
- Der Beschluss über die Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren gem. § 33 Abs. 1 RVG ist zuzustellen. Durch eine formlose Mitteilung wird die Beschwerdefrist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG nicht in Lauf gesetzt.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.1.2020 – 12 W 16/19
1 Sachverhalt
Das Beschwerdeverfahren betrifft die gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit in einem Spruchverfahren.
Das Spruchverfahren betraf in der Hauptsache die gerichtliche Festsetzung des angemessenen Ausgleichs und der angemessenen Barabfindung von Minderheitsaktionären aufgrund eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages. Der Geschäftswert für das gerichtliche Verfahren erster Instanz wurde durch Beschluss des LG auf 298.554,90 EUR festgesetzt. Insgesamt belief sich die Anzahl der Anteile aller Antragsteller auf 4.598 Aktien.
Die im Spruchverfahren als Verfahrensbevollmächtigte tätig gewesenen Rechtsanwälte J, N und R haben jeweils Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes für ihre anwaltliche Tätigkeit gestellt. Im Verfahren hatte Rechtsanwalt J sechs Antragsteller, die Rechtsanwälte N und R hatten jeweils zwei Antragsteller vertreten. Für die von ihnen jeweils vertretenen Antragsteller ist nach der Vermutung des § 31 Abs. 1 S. 3 RVG von jeweils nur einer gehaltenen Aktie auszugehen.
Das LG hat den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für jeden der genannten Anwälte auf 5.000,00 EUR festgesetzt, weil – wie unstreitig – auf die Anzahl der Aktien aller vom jeweiligen Rechtsanwalt vertretenen Antragsteller ein nach § 31 Abs. 1 S. 1 RVG errechneter Bruchteil des Gesamtwertes entfällt, welcher geringer ist als der in § 31 Abs. 1 S. 4 RVG vorgesehene Mindestwert von 5.000,00 EUR. Dieser Mindestwert sei nur einmal in Ansatz zu bringen, eine Vervielfachung dieses Mindestwerts bei Vertretung mehrerer Antragsteller finde nicht statt.
Dieser Beschluss wurde den Beteiligten formlos übermittelt. Der Ausfertigungsvermerk trägt das Datum 29.4.2019. Gegen den Beschluss wurde von Rechtsanwalt J mit Schriftsatz v. 3.5.2019, eingegangen am selben Tag beim LG, von Rechtsanwalt N mit Schriftsatz v. 13.5.2019, eingegangen am selben Tage beim LG, und von Rechtsanwalt R mit Schriftsatz v. 30.9.2019, eingegangen am selben Tage beim LG, Beschwerde eingelegt, welcher das LG jeweils nicht abgeholfen hat. Die Beschwerdeführer machen geltend, es sei gem. § 31 Abs. 2 RVG der Mindestwert von 5.000,00 EUR mit der Zahl der vom jeweiligen Rechtsanwalt vertretenen Antragsteller zu multiplizieren.
Die Antragsgegnerin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerden sind zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt aus § 33 Abs. 3 S. 1 RVG. Die beschwerdeführenden Rechtsanwälte sind antragsberechtigt gem. § 33 Abs. 2 S. 2 RVG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt jeweils 200,00 EUR. Die Beschwerden wurden auch fristgerecht eingelegt. Zwar gilt nach § 33 Abs. 3 S. 3 RVG eine Beschwerdefrist von zwei Wochen ab Zustellung. Da das LG die gebotene (Potthoff, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., 2015, § 33 Rn 48) Zustellung nicht vorgenommen hat, wurde die Frist nicht in Lauf gesetzt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 517 Rn 1, 8; BGH, Beschl. v. 26.11. 2002 – VI ZB 41/02, juris Rn 11). Mangels Zustellungswillens ist zu keinem Zeitpunkt eine Heilung des Zustellungsmangels eingetreten (vgl. BGH, a.a.O.).
Die Beschwerden sind begründet.
In Spruchverfahren entspricht der Gegenstandswert für den Verfahrensbevollmächtigten nicht dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Geschäftswert. Letzterer folgt aus § 74 GNotKG und ist abhängig vom Ergebnis des Spruchverfahrens, beläuft sich jedoch auf mindestens 200.000 EUR. Der für den Verfahrensbevollmächtigten eines Antragstellers maßgebliche Gegenstandswert entspricht gem. § 31 Abs. 1 RVG einem Bruchteil des Geschäftswerts nach § 74 GNotKG. Der Bruchteil wird gebildet aus dem Verhältnis der Anteile des vertretenen Antragstellers zur Gesamtzahl der Anteile aller Antragsteller. Der Gegenstandswert beträgt jedoch mindestens 5.000,00 EUR. Vertritt ein Verfahrensbevollmächtigter mehrere Antragsteller, so sind die auf die vertretenen Antragsteller entfallenden Werte gem. § 31 Abs. 2 RVG zusammenzurechnen.
Entgegen der vom LG vertretenen Ansicht sind nach § 31 Abs. 2 RVG im Fall der Mehrfachvertretung die für jeden vertretenen Antragsteller gesondert geltenden Mindestwerte von jeweils 5.000,00 EUR (§ 31 Abs. 1 S. 4 RVG) zusammenzurechnen.
Das LG hat im angegriffenen Beschluss demgegenüber die Ansicht vertreten, die Zusammenrechnung betreffe die Anzahl der von den vertretenen Antragstellern gehaltenen Anteile und nicht die Mindestwerte nach § 31 Abs. 1 S. 4 RVG. Dies ergebe sich schon daraus, dass es sich bei § 31 Abs. 1 S. 4 RVG um eine eng...