I. Überblick
In der gerichtlichen Praxis ist immer wieder streitig, wie mit außergerichtlichen Inkassokosten umzugehen ist in Hinblick auf notwendige Kosten des Rechtsstreits i.S.d. § 91 ZPO und bezüglich der Frage der Schadensminderungspflicht des Gläubigers/Klägers bei der Einschaltung eines Inkassounternehmens für die außergerichtliche Geltendmachung der Forderung.
II. Keine Anrechnung
Mittlerweile ist anerkannt, dass außergerichtliche Inkassokosten i.S.v. § 4 Abs. 4 RDGEG bis zur Höhe einer Anwaltsvergütung für die außergerichtliche Tätigkeit nach RVG als Verzugsschaden geltend gemacht werden können. Diese außergerichtliche "analoge" Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV in Form der außergerichtlichen Inkassokosten ist auch in voller Höhe geltend zu machen und nicht etwa nach der Anrechnungsvorschrift Vorbem. 3 Abs. 4 VV um die Hälfte, höchstens um 0,75 zu reduzieren. Dies aus zwei Gründen: Zum einen erfolgt eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr und nicht umgekehrt, zum anderen setzt eine Anrechnung der außergerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr voraus, dass außergerichtlich und gerichtlich in der Sache der selbe Anwalt bzw. die selbe Sozietät tätig war. Da jedoch außergerichtlich das Inkassounternehmen tätig war und gerichtlich der für das Streitverfahren bevollmächtigte Rechtsanwalt scheidet eine Anrechnung bereits denklogisch aus.
III. Kein Verstoß gegen den Schadensminderungspflicht
Damit stellt sich die Frage, ob ggfs. der Gläubiger/Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt. Der Gläubiger wird regelmäßig dann nicht gegen seine Schadensminderungspflicht bei außergerichtlicher Beauftragung des Inkassounternehmens verstoßen, wenn zum Zeitpunkt der außergerichtlichen Auftragserteilung nicht mit einem Streitverfahren zu rechnen ist. Derartiges wird vor allem beim schweigenden Schuldner anzunehmen sein, der weder Mängel einwendet und auch nicht auf Mahnungen des Gläubigers reagiert. Gleiches gilt für Schuldner, die Zahlungen oder Regulierungen ankündigen, am Ende aber trotzdem nicht bezahlen. Aus der ex-ante-Sicht des Gläubigers muss dieser dann mit einer streitigen/gerichtlichen Auseinandersetzung nicht rechnen, sondern darf vielmehr davon ausgehen, dass die Beauftragung des Inkassounternehmens den Schuldner zur Zahlung anhält, schon deshalb weil sich die Ansprechpartner für diesen ändern, abgesehen davon, dass der Schuldner auch durch die – womöglich erstmalige – Geltendmachung von Verzugszinsen, Mahnkosten, aber auch Inkassokosten als Verzugsschaden erkennen sollte, dass es jetzt an der Zeit wäre, Zahlung zu leisten, um weitere Mehrkosten zu vermeiden. Es ist ebenfalls mittlerweile anerkannt, dass Inkassounternehmen einen wesentlichen Beitrag zum außergerichtlichen Forderungseinzug leisten und damit auch letztlich die Gerichte entlasten.
Selbst für den Fall, dass die außergerichtliche Tätigkeit des Inkassounternehmens nicht zum gewünschten Erfolg führt, so genügt der Gläubiger sicherlich weiterhin seiner Schadensminderungspflicht so lange er mit einer streitigen Auseinandersetzung nicht rechnen muss, da für die Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens die erstattungsfähigen Gebühren für das Inkassounternehmen bei pauschal 25,00 EUR gem. § 4 Abs. 5 RDGEG liegen, während der Anwalt nach Gegenstandswert die 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV für den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides sowie eine weitere 0,5-Gebühr nach Nr. 3308 VV für den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids erhält. Insoweit ist die Einschaltung eines Inkassounternehmens in Hinblick auf die erstattungsfähigen Kosten aus Sicht des Schuldners im Falle der Titulierung im Wege des gerichtlichen Mahnverfahrens offenkundig günstiger als bei Einschaltung eines Anwalts durch den Gläubiger.
Der BGH hat mit der oben zitierten Entscheidung auch klargestellt, dass für eine Kürzung der Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren nur deshalb, weil vorprozessual ein anderer Anwalt tätig war, kein Anlass besteht. Somit zählt auch die volle Verfahrensgebühr zu den notwendigen Kosten des Rechtsstreits i.S.d. § 91 ZPO, auch wenn materiell-rechtlich außergerichtliche Inkassokosten in Höhe einer vollen Geschäftsgebühr zugesprochen wurden.
Sowohl das OLG Jena als auch das OLG Koblenz kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Anrechnung einer "fiktiven Geschäftsgebühr" wegen vorgerichtlicher Inkassokosten im Kostenfestsetzungsverfahren ausscheidet.
Aktuell hat das AG Leipzig zwei Entscheidungen erlassen und kommt erfreulicherweise ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die außergerichtlichen Inkassokosten nicht auf die Verfahrensgebühr des Anwaltes im Erkenntnisverfahren anzurechnen sind.
In diesem Rechtsstreit ging es darum, dass die dortigen Kläger Schadenersatzansprüche zunächst außergerichtlich über ein Inkassounternehmen geltend gemacht hatten. Der dortige Beklagte hat im Mailverke...