RVG § 14 Abs. 1; BGB §§ 130 Abs. 1, 315 Abs. 2

Leitsatz

  1. Der Rechtsanwalt ist an sein nach § 14 Abs. 1 RVG einmal ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens gebunden.
  2. Eine Nachforderung kommt nur bei irrtümlich nicht geltend gemachten Gebühren und Auslagen in Betracht, die in dem früheren Kostenfestsetzungsantrag überhaupt nicht enthalten waren. Hat der Verteidiger jedoch lediglich bestimmte Umstände bei der Ausübung seines Bestimmungsrechts übersehen, ist dessen Abänderung, mit dem der Leistungsinhalt konkretisiert und unwiderruflich wurde, nicht mehr möglich.

OLG Celle, Beschl. v. 14.11.2019 – 3 Ws 323/19

1 Sachverhalt

Das LG hatte den Beschwerdeführer auf Kosten der Landeskasse rechtskräftig von dem Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, der Brandstiftung sowie des Einbruchsdiebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Diebstahl freigesprochen und der Landeskasse auch seine notwendigen Auslagen auferlegt.

Für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger machte sein Rechtsanwalt mit Schriftsatz v. 12.10.2018 Gebühren und Auslagen i.H.v. insgesamt 4.155,09 EUR geltend und beantragte Kostenfestsetzung in dieser Höhe. Dabei machte er für die Hauptverhandlungstermine v. 3., 7., 15., 21. und 28.8.2018 sowie v. 6. u. 24.9.2018 jeweils eine Mittelgebühr von 320,00 EUR gem. § 14 RVG, Nr. 4114 VV sowie eine Verfahrensgebühr i.H.v. 225,00 EUR gem. § 14 RVG Nr. 4113, 4112 RVG geltend. Nach Anhörung des Bezirksrevisors beim LG Stade setzte der zuständige Rechtspfleger die zu erstattenden Gebühren und Auslagen mit Beschl. v. 3.12.2018 antragsgemäß – unter Berücksichtigung einer bereits gezahlten Pflichtverteidigervergütung von 3.505,35 EUR – auf noch auszuzahlende 649,74 EUR fest, der dem Verteidiger am 6.12.2018 zugestellt worden ist.

Mit Schriftsatz v. 22.8.2019 beantragte der Verteidiger nunmehr die Festsetzung weiterer notwendig entstandener Auslagen i.H.v. 2.054,24 EUR mit der Begründung, dass es sich dabei um die Mehrkosten der Mittelgebühren für die Vertretung vor dem Schwurgericht nach Nr. 4118, 4119 und 4120 VV handele. Bei seinem Kostenfestsetzungsantrag v. 12.10.2018 habe er diese Gebührentatbestände übersehen und versehentlich die Gebühren für die Vertretung vor der Strafkammer nach den Nr. 4112 und 4114 VV geltend gemacht.

Diesen Antrag wies die Rechtspflegerin des LG nach Anhörung des Bezirksrevisors mit der Begründung zurück, dass ein Rechtsanwalt an sein einmal im Rahmen des § 14 RVG ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr gebunden sei. Der Verteidiger habe auch keinen Gebührentatbestand übersehen. Zudem stehe auch die materielle Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses des LG v. 3.12.2018 einer erneuten Kostenfestsetzung entgegen.

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner sofortigen Beschwerde.

2 Aus den Gründen

Das Rechtsmittel ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

1. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 464b S. 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthaft und fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist nach § 464b S. 4 StPO erhoben worden. Der Beschwerdeführer ist auch beschwerdebefugt, weil ausweislich der bereits mit Kostenfestsetzungsantrag vorgelegten Vollmacht von einem Antrag im Namen der vormaligen Angeklagten auszugehen war (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 464b Rn 2). Dies gilt für die sofortige Beschwerde entsprechend.

Der Beschwerdewert von 200,00 EUR (§ 304 Abs. 3 StPO) ist überschritten. Der Senat hat in der Besetzung mit drei Richtern (§ 122 Abs. 1 GVG) zu entscheiden. Die Vorschrift des § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO findet insoweit nach herrschender Auffassung, welche auch der Senat vertritt, keine Anwendung (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 21.9.2015 – 2 Ws 148/15 u. v. 8.8.2016 – 1 Ws 382/16, OLG Düsseldorf NStZ-RR 2012, 160; OLG Nürnberg zfs 2011, 226; KK-Gieg StPO 7. Aufl. § 464b Rn 4 b; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 464b Rn 7; jew. m.w.N.).

2. Der mit der sofortigen Beschwerde weiter verfolgte Auslagenanspruch besteht aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die der Senat auch der eigenen Entscheidung zugrunde legt, nicht.

Der Rechtsanwalt ist an sein nach § 14 Abs. 1 RVG einmal ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens gebunden. Denn die Ausübung des Ermessens ist Bestimmung der Leistung durch den Verteidiger und erfolgt gem. § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem Mandanten bzw. der Landeskasse. Die Bestimmung ist rechtsgestaltender Natur, ihre Abgabe somit Ausübung des Gestaltungsrechts. Da das Gestaltungsrecht durch seine Ausübung verbraucht ist, kann die Bestimmung, sobald die Erklärung gem. § 130 Abs. 1 BGB durch Zugang wirksam geworden ist, nicht mehr geändert oder widerrufen werden. Sie ist damit auch für den Verteidiger als Bestimmenden bindend, es sei denn, er hat sich eine Erhöhung ausdrücklich und erkennbar vorbehalten, er ist über Bemessungsfaktoren getäuscht worden od...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?