BerHG § 2 Abs. 2 S. 2; BRAO § 50 Abs. 1; RVG VV Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a)

Leitsatz

Benötigt ein Rechtsanwalt zur Beratung des Rechtsuchenden in einer Strafsache Ablichtungen aus der Ermittlungsakte, sind die Fotokopierkosten auch im Rahmen der Beratungshilfe aus der Staatskasse zu vergüten.

AG Schwerin, Beschl. v. 16.9.2019 – 18 UR II 221/18

1 Sachverhalt

Dem Antragsteller war Beratungshilfe in einer Strafsache wegen eines Vorwurfes nach § 29 BtMG bewilligt und ein entsprechender Berechtigungsschein erteilt worden. Das AG wies darauf hin, dass sich die Beratungshilfe in Straf- und Bußgeldsachen auf die Beratungstätigkeit des Anwaltes beschränkt.

Der Antragsteller hat daraufhin den Erinnerungsführer mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Der Erinnerungsführer beantragte nach Abschluss der Beratung die Festsetzung seiner Vergütung i.H.v. 119,54 EUR. Darin enthalten war eine Dokumentenpauschale für 193 Kopien i.H.v. 46,45 EUR. Mit Beschluss des AG wurde die dem Erinnerungsführer zu zahlende Vergütung auf 64,26 EUR festgesetzt. Begründet wurde dies damit, dass die Beratungshilfe in Strafsachen auf Beratung beschränkt sei, § 2 Abs. 2 S. 2 BerHG. Die Anforderung der Strafakte sei als gerechtfertigt anzusehen. Da Verteidigung oder Vertretung über Beratungshilfe nicht abgedeckt seien, könne das Kopieren von 193 Seiten nicht nachvollzogen werden. Es hätte durchaus genügt, nach Durchsicht der Akte wesentliche Punkte zu notieren und daraufhin dem Rechtssuchenden einen Rat hinsichtlich seiner Verteidigung zu geben.

Dagegen legte der Erinnerungsführer Erinnerung ein. Darin machte der Erinnerungsführer geltend, dass zur ordnungsgemäßen Beratung des Rechtssuchenden die Ablichtung des Inhaltes der Akten notwendig gewesen sei. Es könne von dem Rechtsanwalt insbesondere nicht verlangt werden, sich in die versandte Akte einzuarbeiten und anschließend ein Gesprächstermin bei vorliegender Akte mit den Rechtssuchenden zu vereinbaren, um ansonsten notwendige Kopierkosten zu vermeiden. Damit würde das Gericht die Terminsplanung des Rechtsanwalts bestimmen. Zudem müsste der Rechtsanwalt sodann bei einer späteren Nachfrage die Akte erneut anfordern. Ein weiteres Argument ergebe sich daraus, dass der Rechtsanwalt eine Handakte gem. § 50 BRAO anzulegen habe, die ein geordnetes Bild über die von ihm entfaltete Tätigkeit geben müsse.

Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Richter vorgelegt.

2 Aus den Gründen

Die gem. § 56 RVG, § 573 ZPO zulässige Erinnerung ist begründet.

Der Anspruch auf Festsetzung der Kopierkosten folgt aus Nr. 7000 VV. Gem. Nr. 7000 Nr. 1a VV sind Kosten für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten zu ersetzen, soweit deren Herstellung zur sachgerechten Bearbeitung der Rechtssache geboten war.

Vorliegend ist daher darüber zu entscheiden, ob die Anfertigung von 193 Kopien aus der Verfahrensakte geboten war. Unter Bezugnahme auf das Vorstehende verbleibt bei dem Erinnerungsführer als Beratungsperson ein Ermessen hinsichtlich der Erforderlichkeit von Kopien aus einer Gerichtsakte, welche durch ihn auch auszuüben ist. Ein vollständiges Kopieren ohne vorherige Einsicht unter Gesichtspunkten der Zeitersparnis würde diesem Grundsatz nicht genügen und daher eine Erstattung ausschließen.

Dass unter dem Gesichtspunkt der Rechtswahrnehmungsgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten auch bei der Beratungshilfe grds. Kopierkosten zu ersetzen sind, ergibt sich daraus, dass Bemittelte und Unbemittelte auch bei der Beratungshilfe grds. gleich zu behandeln sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.10.2008 – 1 BvR 2310/06). Ein Rechtsanwalt, der seinen Mandanten berät, um die Reaktion in einem Strafverfahren zu besprechen, benötigt dazu Ablichtungen aus der Ermittlungsakte. Zwar bestünde auch die Möglichkeit, dass der Rechtsanwalt seinen Mandanten zu dem Zeitpunkt in sein Büro bestellt, zu dem die Akte sich bei ihm befindet. Dies würde jedoch dazu führen, dass die aktenführende Stelle durch die Setzung der Akteneinsichtsfrist über die Möglichkeit einer sachgerechten Beratung entscheiden würde. Das daraus eine Schlechterstellung des unbemittelten Rechtssuchenden entsteht, ergibt sich daraus, dass der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten Ladungen nicht zwangsweise durchsetzen kann und die aktenführende Stelle in der Regel keine Kenntnis von den terminlichen Verpflichtungen des Mandanten hat, und auf die Kenntnis dieser in diesem Verfahrensabschnitt auch kein Anspruch besteht. Verdeutlicht wird dieses Dilemma an folgendem Beispiel: Würde die aktenführende Stelle dem Rechtsanwalt Akteneinsicht von drei Tagen gewähren, befände sich der Mandant jedoch im Urlaub, im Krankenhaus oder wäre er aus anderen Gründen nicht erreichbar, wäre eine spätere Beratung nur noch aufgrund von Notizen möglich (vgl. AG Halle, Beschl. v. 8.2.2010 – 103 II 3103/09 [= AGS 2010, 189]).

Nach dem Vortrag des Erinnerungsführers belief sich der Umfang der Akte auf weit über 200 Seiten, sodass durch die Anfertigung von 193 Kopien keinesfalls die gesamte Akte kopiert worden ist.

Weiter...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?