§ 48 RVG; § 67e StGB
Leitsatz
- Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Vollstreckungsverfahren erfolgt für jeden Verfahrensabschnitt des Vollstreckungsverfahrens gesondert.
- Eine dauerhafte Beiordnung für das gesamte Maßregelvollstreckungsverfahren erfolgt – anders als bei der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung – nicht.
- Ein neuer Prüfungsabschnitt beginnt spätestens mit der Erforderlichkeit und der Auswahl eines externen Sachverständigen, mit der Folge, dass dem Untergebrachten ab diesem Zeitpunkt ein Verteidiger beizuordnen ist.
OLG Celle, Beschl. v. 31.7.2020 – 2 Ws 122/20
I. Sachverhalt
Der Untergebrachte ist wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Zugleich wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB angeordnet. Seit der Rechtskraft des Urteils befindet sich der Untergebrachte in der Psychiatrischen Klinik L. Im Überprüfungsverfahren zur Fortdauer der Unterbringung hat der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer auf Antrag der Untergebrachten mit Beschl. v. 7.11.2019 Rechtsanwalt J. aus B. als Pflichtverteidigter beigeordnet. Die mündliche Anhörung des Untergebrachten erfolgte am 27.11.2019. Mit Beschl. v. selben Tage ordnete die Strafvollstreckungskammer die Fortdauer der Unterbringung an. Diese Entscheidung ist seit dem 19.12.2019 rechtskräftig.
Mit Schriftsatz vom 2.1.2020 beantragte Rechtsanwalt S. aus B. unter Vorlage eines mit "Vollmacht" überschriebenen Schreibens des Untergebrachten vom 19.12.2019, diesem als Verteidiger beigeordnet zu werden. Auf den Hinweis des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer, dass ein neuer Prüfungstermin erst im November 2020 anstehe, teilte Rechtsanwalt S. mit, dass nach seiner Auffassung der Überprüfungszeitraum spätestens mit Rechtskraft der zuvor ergangenen Entscheidung erneut begonnen habe und beantragte zudem die Hin- und Rückfahrt zu dem Untergebrachten in die Psychiatrische Klinik L. für notwendig zu erklären. Seine Ausführungen seien jedoch nicht als Antrag auf Prüfung der Fortdauer der Maßregel zu behandeln.
Der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer hat mit Beschl. v. 1.4.2020 den Antrag des Untergebrachten auf Beiordnung von Rechtsanwalt S. zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beiordnung eines Verteidigers erfolge für jedes Prüfungsverfahren gesondert. Eine Beiordnung komme dann in Betracht, wenn bei der Strafvollstreckungskammer ein solches Verfahren anhängig sei und diese mit der Überprüfung der Fortdauer des Maßregelvollzuges befasst ist. Ein solcher, neuer Prüfungsabschnitt habe hier noch nicht begonnen. Weder sei ein neuer Prüfungsantrag gestellt noch eine Anfechtung der ergangenen Entscheidung erfolgt.
Dagegen hat der Verteidiger "Beschwerde" eingelegt. Die hatte beim OLG keinen Erfolg.
II. Beiordnungsvoraussetzungen
1. Allgemeine Voraussetzungen
Nach Auffassung des OLG liegen die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Verteidigers (derzeit) nicht vor. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers sei auch im Vollstreckungsverfahren in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO zulässig (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 62. Aufl., § 140 Rn 33, 33 a m.w.N.), wenn die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, dies gebieten (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 1999, 319) oder wenn die Entscheidung von besonders hohem Gewicht ist (vgl. OLG Celle, StraFo 2011, 523 = StRR 2011, 406). Betreffe das Verfahren die Vollstreckung einer Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB), sei der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger habe, nach § 463 Abs. 4 S. 8 StPO für die Überprüfung der Unterbringung, bei der nach § 463 Abs. 4 S. 2 StPO das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll, ein Verteidiger beizuordnen.
2. Umfang der Beiordnung
Die Beiordnung eines Verteidigers im Vollstreckungsverfahren erfolge – anders als im Erkenntnisverfahren – nicht für das gesamte Strafvollstreckungs- oder Maßregelvollstreckungsverfahren, sondern für jeden Verfahrensabschnitt des Vollstreckungsverfahrens gesondert. Insoweit folgt das OLG der weit überwiegenden Auffassung in Lit. und Rspr. (vgl. KG NStZ-RR 2002, 63; OLG Düsseldorf StraFo 2011, 371; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2003, 252 f.; OLG München StraFo 2009, 527; OLG Zweibrücken NStZ 2010, 470 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, 62, Aufl., 2020, § 140 Rn 33a; Willnow, in: KK-StPO, 8. Aufl., § 141 Rn 11). Die in der Rspr. vereinzelt gebliebene Auffassung der OLG Stuttgart (NJW 2000, 3367) und Naumburg (Beschl. v. 27.4.2010 – 1 Ws 144/10), die Bestellung "für das Vollstreckungsverfahren" gelte bis zu dessen Ende, überzeuge nicht. Sie widerspreche dem – gerade beim Maßregelvollzug – oft lang andauernden und wechselhaften Verlauf der Vollstreckung. Insbesondere werde sie dem berechtigten Anspruch des Verurteilten auf die Auswahl des von ihm gewünschten Verteidigers nicht gerecht. Für die dauerhafte Festlegung auf einen zunächst ausgesuchten Verteidiger bestünden angesichts de...