§ 46 RVG; Nr. 7004 VV RVG
Leitsatz
- Unterlässt es der Verteidiger, die Erforderlichkeit der Notwendigkeit seiner Auslagen vor Entstehen dieser durch das Gericht feststellen zu lassen, steht dies einer Anerkennung der Auslagen im Kostenfestsetzungsverfahren als notwendig nicht entgegen.
- Die Kosten für den Erwerb einer BahnCard50 können jedenfalls in lang andauernden Verfahren notwendige Auslagen darstellen, wenn sich der Erwerb der BahnCard50 bereits nach wenigen Fahrten des Verteidigers amortisiert.
OLG Celle, Beschl. v. 21.12.2020 – 4 StE 1/17
I. Sachverhalt
Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger. Er hat gem. § 47 RVG für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger des Angeklagten im Wege des Vorschusses Gebühren für die Teilnahme an neun Hauptverhandlungsterminen geltend gemacht. Zudem hat er die Festsetzung von Reisekosten beantragt. Insoweit geltend gemachten Kosten für eine BahnCard50 hat die Kostenbeamtin abgesetzt, weil ein Beschluss über die Erforderlichkeit dieser Aufwendungen nicht vorläge. Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Rechtsanwalts, der die Kostenbeamtin nicht abgeholfen hat. Die Erinnerung des Rechtsanwalts hatte Erfolg.
II. Feststellung der Erforderlichkeit
Dass der Rechtsanwalt vor seinem Festsetzungsantrag betreffend seine Auslagen im Wege des Vorschusses keinen Antrag auf Feststellung der Erforderlichkeit nach § 46 Abs. 2 S. 1 RVG gestellt habe, steht der Festsetzung nach Auffassung des OLG Celle nicht entgegen. Eine solche Feststellung entbinde im erfolgenden Fall lediglich den Kostenbeamten von der Prüfung, ob die geltend gemachten Auslagen für eine sachgemäße Durchführung der Angelegenheit notwendig war. Werde eine solche Entscheidung nicht beantragt oder lehne das Gericht einen Antrag nach § 46 Abs. 2 RVG ab, verbleibe es bei der durch den Kostenbeamten nach § 55 RVG durchzuführenden Prüfung in eigener Verantwortung.
III. BahnCard50
Das OLG hat die Kosten für die BahnCard50 festgesetzt. Zwar seien Aufwendungen für eine BahnCard nach h.M. als allgemeine Geschäftskosten auch nicht anteilig erstattungsfähig (vgl. Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., VV 7003–7006, Rn 46 m.w.N.). Der Senat habe aber im vorliegenden Verfahren, in welcher die Hauptverhandlung über drei Jahren andauere, bereits mehrfach das Erfordernis des Erwerbs einer BahnCard durch die auswärtigen Verteidiger festgestellt. Bei dem Preis, den der Rechtsanwalt für einen Einzelfahrschein ohne BahnCard-Ermäßigung bezahlen und der ihm sodann als erforderliche Aufwendung ersetzt werden müsste, sei der für die BahnCard50 aufzuwendende Betrag bereits nach der siebten bis achten Fahrt amortisiert. Insoweit entspreche die vom Antragsteller getätigte Aufwendung der ihm zukommenden Pflicht zur kostenschonenden Gestaltung seiner notwendigen Geschäftsreisen.
IV. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist zutreffend.
1. Der Pflichtverteidiger hat, bevor er Kosten auslösende Maßnahmen ergreift, die er dann ggf. über seinen Auslagenanspruch gegenüber der Staatskasse geltend machen will, die Möglichkeit, vorab nach § 46 Abs. 2 S. 3 RVG vorzugehen. Danach kann er die Erforderlichkeit der Maßnahme, wie z.B. auch eigene Ermittlungen in Form eines Sachverständigengutachtens feststellen lassen, bevor er einen Kosten auslösenden Auftrag erteilt (dazu eingehend Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A: Auslagen aus der Staatskasse [§ 46 Abs. 1 und 2], Rn 212 ff., 224). Er muss das aber nicht tun. Stellt er einen Antrag und hat er damit Erfolg, ist allerdings bindend für das Kostenfestsetzungsverfahren die Erforderlichkeit der Auslage festgestellt. Eine ablehnende Entscheidung hat allerdings keine Bindungswirkung für das Kostenfestsetzungsverfahren. Der Verteidiger kann seinen Antrag dort also wiederholen (Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Teil A: Auslagen aus der Staatskasse [§ 46 Abs. 1 und 2]; Rn 234 f.). Die auf einen entsprechenden Antrag ergehende (Ablehnungs-)Entscheidung ist i.Ü. nicht anfechtbar (zuletzt OLG Celle AGS 2012, 480 = StraFo 2012, 338 m.w.N.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2015, 84 [Ls.]; Beschl. v. 22.9.2014 – 1 Ws 246 u. 272/14).
2. Auch die Ausführungen des OLG zu den Kosten der BahnCard50 sind zutreffend (Nr. 7004 VV). Die h.M. geht davon aus, dass, sofern der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt für seine Geschäftsreisen öffentliche Verkehrsmittel unter Einsatz (s)einer BahnCard benutzt, er dafür nicht die anteiligen Anschaffungskosten nach § 46 Abs. 1 RVG als Auslagen erstattet verlangen kann. Die Kosten werden, da sie keinem bestimmten Verfahren zugeordnet werden können, vielmehr als allgemeine Geschäftskosten behandelt, die gem. Vorbem. 7 Abs. 1 VV mit den Gebühren des Rechtsanwalts abgegolten werden (vgl. OLG Celle RVGreport 2005, 151; OLG Düsseldorf StRR 2008, 399 = RVGreport 2008, 259; OLG Hamm AGS 1997, 60 = JurBüro 1996, 598 = Rpfleger 1996, 352). Etwas anderes kann aber gelten, wenn erst aus Anlass von Reisen die BahnCard angeschafft wird. Dann können die Anschaffungskosten erstattungsfähig sein (vgl. OLG Hamm, a.a.O. für die Sachverständigenvergütung nach dem JVEG). Das w...