1. Lösung zu Fall 1
Problematisch ist hier lediglich die Verfahrensgebühr. Die anwaltlichen Auslagen wie die Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV oder die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV sind hingegen unproblematisch entstanden.
I. Anfall der Verfahrensgebühr
Die Verfahrensgebühr entsteht nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Mit welchem Gebührensatz die Verfahrensgebühr anfällt, ergibt sich aus der einschlägigen Regelung in Teil 3 VV. Für die Vertretung des Beklagten in einem Zivilprozess bestimmt sich die Verfahrensgebühr nach den Nrn. 3100, 3101 VV.
Nach Nr. 3100 VV fällt die Verfahrensgebühr mit einem Gebührensatz von 1,3 an. Dies setzt allerdings voraus, dass keiner der in Nr. 3101 Nr. 1 VV aufgeführten Ermäßigungstatbestände erfüllt ist, wonach die Verfahrensgebühr nur mit einem Gebührensatz von 0,8 entsteht. Somit fällt die unverminderte 1,3-Verfahrensgebühr dann an, wenn der Rechtsanwalt eine oder auch mehrere der in Nr. 3101 Nr. 1 VV aufgeführten Tätigkeiten ausgeübt hat.
Vorliegend kommt es mangels Sachvortrags in dem Schriftsatz vom 11.9. für den Anfall der unverminderten Verfahrensgebühr allein darauf an, ob Rechtsanwalt B einen Schriftsatz mit einem Sachantrag eingereicht hat.
1. Sachantrag
Nach allgemeiner Auffassung in der Rspr. ist auch ein – wie hier – lediglich angekündigter Sachantrag, nämlich die Ankündigung, im Verhandlungstermin einen Antrag auf Abweisung der Klage stellen zu wollen, ein die volle Verfahrensgebühr auslösender Sachantrag i.S.d. Nr. 3101 Nr. 1 VV.
2. Eingereicht
Rechtsanwalt B hat den Schriftsatz vom 11.9. auch i.S.d. Gebührenrechts eingereicht, bevor der Auftrag des Mandanten durch Klagerücknahme geendigt ist. Zwar ist der Schriftsatz des Rechtsanwalts B erst zwei Tage später bei Gericht eingegangen als die Klagerücknahme. Jedoch hat Rechtsanwalt B den Tatbestand der Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV bereits zu dem Zeitpunkt ausgelöst, als er den Schriftsatz vom 11.9. am Abend dieses Tages in den Postbriefkasten hat einwerfen lassen. Damit hat er nämlich diesen Schriftsatz so auf den Weg gebracht, dass sein Zugang ausschließlich von der Tätigkeit der Postbediensteten abhängig war.
II. Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr
Vom Anfall der vollen Verfahrensgebühr zu unterscheiden ist deren Erstattungsfähigkeit im Kostenfestsetzungsverfahren. Diese richtet sich nach § 91 ZPO. Der die volle Verfahrensgebühr auslösende Schriftsatz vom 11.9. ist zwar erst am 14.9. und damit zu einem Zeitpunkt bei Gericht eingegangen, als die Klagerücknahme mit Eingang bei Gericht am 12.9. bereits wirksam geworden ist. Somit war das Einreichen des die Ankündigung der Klageabweisung enthaltenen Schriftsatzes objektiv nicht (mehr) notwendig. Jedoch haben weder Rechtsanwalt B noch sein Mandant zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der bereits wirksamen Klagerücknahme gehabt. Hiervon hat Rechtsanwalt B erst aufgrund der gerichtlichen Mitteilung vom 20.9. Kenntnis erlangt. Für die Erstattungsfähigkeit kommt es jedoch auf die verobjektivierte Sicht des Erstattungsberechtigten an, sodass für die Erstattungsfähigkeit auch die Kenntnis oder Unkenntnis der erstattungsberechtigen Partei von den entsprechenden Umständen ankommt. Der III. ZS des BGH hat hingegen in der im Beschluss des XII. ZS wiedergegebenen Mitteilung geäußert, er habe sich mit seiner allein auf die objektive Lage abstellenden Auffassung als missverstanden angesehen.
III. Ergebnis
Der Beklagte kann von dem Kläger somit die Erstattung der 1,3-Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV nebst Postentgeltpauschale und Umsatzsteuer verlangen.
2. Lösung zu Fall 2
Gem. § 56 Abs. 2 S. 1 HS 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG ist die Beschwerde gegen die auf die Erinnerung ergangene Entscheidung des Amtsgerichts nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird. Diese Frist hat Rechtsanwalt A hier versäumt.
Allerdings kann auf Antrag des Rechtsanwalts A Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (§ 56 Abs. 2 S. 1 HS 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 5 S. 1 RVG), wenn er ohne sein Verschulden verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten. Hierzu ist nichts ersichtlich. Jedoch wird gem. § 56 Abs. 2 S. 1 HS 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 5 S. 2 RVG ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder – wie hier – hinsichtlich der Beschwerdefrist fehlerhaft ist. Ob die Vermutung des § 33 Abs. 5 S. 2 RVG für Rechtsanwalt A eingreift, hängt davon ab, ob er in Verfahren auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung versiert ist. Handelt es sich bei Rechtsanwalt A um einen Anfänger, der erst wenige Anträge auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung eingereicht und kaum Rechtsbehelfsverfahren betrieben hat, kann ihm im Hinblick...