§ 33 RVG; §§ 887, 888 ZPO
Leitsatz
Die Vollstreckung sowohl nach § 887 ZPO als auch nach § 888 ZPO bezweckt es, die Handlung des Vollstreckungsschuldners, zu welcher er verurteilt worden ist, zu erzwingen. Dieses Erzwingungsinteresse richtet sich in der Regel nach der Hauptsache und ist unter den Besonderheiten des Einzelfalles zu bestimmen.
OLG Rostock, Beschl. v. 3.11.2020 – 3 W 63/20
I. Sachverhalt
Die Vollstreckungsgläubigerin hatte ein Urteil erwirkt, nach dem die Vollstreckungsschuldner zu einer konkreten Ausführung von Arbeiten verpflichtet wurden, um die Gefährdung der Giebelwand des Hauses der Vollstreckungsgläubigerin zu beseitigen. Hilfsweise war den Schuldnern nachgelassen worden, die zu ergreifenden Maßnahmen selbst auswählen zu dürfen. Dieser Verpflichtung kamen die Schuldner nicht nach. Hieraufhin hat die Gläubigerin beantragt, sie zu ermächtigen, die Arbeiten auf Kosten der Schuldner vornehmen zu lassen. Gleichzeitig hat die Gläubigerin gem. § 887 Abs. 2 ZPO beantragt, die Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten in bestimmter Höhe, die in den Beschlussgründen nicht mitgeteilt worden ist, zu verurteilen. Wie dieses Verfahren nach § 887 ZPO ausgegangen ist, lässt sich den Beschlussgründen nicht entnehmen. Jedenfalls hat das Prozessgericht den Gegenstandswert festgesetzt und sich dabei an der Höhe des von der Gläubigerin verlangten Vorschusses orientiert. Sowohl die Schuldner als auch ihre Verfahrensbevollmächtigten haben gegen den Wertfestsetzungsbeschluss Beschwerde eingelegt. Diese hatte in der Sache keinen Erfolg.
II. Beschwerde gegen die Wertfestsetzung
Das OLG Rostock hat zunächst darauf hingewiesen, dass in dem Vollstreckungsverfahren nach dem §§ 887, 888 ZPO für das Gericht Festbetragsgebühren anfielen, sodass insoweit eine Streitwertfestsetzung nicht erforderlich sei. Infolge dessen habe das Prozessgericht auf Antrag eines Antragsberechtigten (s. § 33 Abs. 2 S. 2 RVG) den für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgeblichen Gegenstandswert nach § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt. Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Schuldner und ihrer Verfahrensbevollmächtigten hat das OLG Rostock gem. § 33 Abs. 3 RVG als zulässig angesehen.
III. Wert der Ersatzvornahme
Das OLG Rostock hat die Entscheidung des Prozessgerichts gebilligt, das den Gegenstandswert nach dem Aufwand der begehrten Vollstreckungsmaßnahme im Wege der Ersatzvornahme bemessen hat. Sowohl die Vollstreckung nach § 887 ZPO als auch die nach § 888 ZPO bezwecke es nämlich, die Handlung des Vollstreckungsschuldners, zu der er verurteilt worden sei, zu erzwingen. Dieses Erzwingungsinteresse richte sich in der Regel nach der Hauptsache und sei unter den Besonderheiten des Einzelfalls zu bestimmen (s. OLG München AGS 2018, 233; OLG Rostock JurBüro 2009, 162; OLG Rostock AGS 2009, 187 = JurBüro 2009, 105; LG Berlin WuM 2021, 213). Dabei kann nach Auffassung des OLG Rostock der von der Vollstreckungsgläubigerin gem. § 887 Abs. 2 ZPO verlangte Vorschuss ein Anhaltspunkt für das Interesse an der zu erzwingenden Handlung darstellen.
Nach den weiteren Ausführungen des OLG lag hier die zu erzwingende Handlung in der Tätigkeit, die erforderlich war, um die Gefährdung der Giebelwand des Hauses der Gläubigerin zu beseitigen. Das Interesse der Gläubigerin habe sich somit an der begehrten Vollstreckungsmaßnahme orientiert. Demgegenüber bestimme sich der Gegenstandswert des Vollstreckungsverfahrens nicht – wie von den Schuldnern und ihren Verfahrensbevollmächtigten erstrebt – nach dem Wert des Hauses. Dies hat das OLG Rostock damit begründet, dass die zu erzwingende Handlung nicht die Vermeidung des Einsturzes des Hauses der Gläubigerin selbst darstelle. Vielmehr sei dies nur das hinter der Erzwingung der Handlung stehende Interesse der Gläubigerin am Erhalt ihres Hauses.
IV. Bedeutung für die Praxis
Das OLG Rostock hat leider in seinem Beschluss die entsprechenden Werte nicht mitgeteilt. Den Beschlussgründen lässt sich lediglich entnehmen, dass sich das Prozessgericht bei der Festsetzung des Gegenstandswertes an den Kosten für die konkret benannten Arbeiten zur Beseitigung der Gefährdung der Giebelwand orientiert haben. Demgegenüber erstrebten die Beschwerdeführer die Anhebung des Gegenstandswertes, der sich ihrer Auffassung nach an dem Wert des Hauses orientiert.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
a) Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten
Die auf Anhebung des Gegenstandswertes gerichtete Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Schuldner war zulässig. Denn im Erfolgsfall berechneten sich ihre Gebühren nach dem erstrebten höheren Gegenstandswert.
b) Beschwerde der Schuldner
Das OLG Rostock ist ohne Weiteres davon ausgegangen, dass auch die Beschwerden der Schuldner zulässig sind. Hierzu hätte es jedoch näherer Ausführungen bedurft. Denn eine auf Anhebung des Gegenstandswertes gerichtete Beschwerde des Auftraggebers führte im Erfolgsfall dazu, dass er dadurch auch höheren Vergütungsansprüchen seines Verfahrensbevollmächtigten ausgesetzt wird (AnwKomm-RVG/Thiel, 8. Aufl., § 33 Rn 77). Dies gilt m.E. auch dann, wenn hier die Schuldner aufgrund der gerichtlichen Kostenentscheidung eine...