§§ 118 Abs. 2, 120a, 124 Abs. 1 Nr. 2, 571 Abs. 2 ZPO
Leitsatz
- Fordert das Prozessgericht die bedürftige Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, unter Fristsetzung auf, anzugeben, ob sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden Verhältnisse geändert haben, so kann die bedürftige Partei diese Angaben auch noch nach Ablauf der gesetzten Frist im Beschwerdeverfahren nachholen.
- Die Aufhebung der Prozesskostenhilfe kann in einem solchen Fall nicht allein auf die Versäumung der gesetzten Frist gestützt werden.
- Für die Beurteilung der Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung im Beschwerdeverfahren ist es unerheblich, ob die Partei die Versäumung der Frist verschuldet hat.
BAG, Beschl. v. 8.12.2020 – 9 AZB 59/20
I. Sachverhalt
Das ArbG Düsseldorf hatte dem Kläger durch Beschl. v. 22.11.2017 ratenfreie PKH bewilligt. Im Überprüfungsverfahren forderte das ArbG den Kläger mit einem an seinen Prozessbevollmächtigten gerichteten Schreiben vom 25.6.2018 auf, unter Verwendung des Vordrucks der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb einer Frist von drei Wochen seine derzeitige Vermögenssituation i.S.v. § 120a Abs. 1 ZPO darzulegen. Zugleich wies das ArbG darauf hin, die Versäumung dieser Frist werde die Aufhebung der PKH nach sich ziehen. Der Kläger reagierte auf diese Aufforderung nicht. Auch das an seinen Prozessbevollmächtigten gerichtete Schreiben des ArbG vom 1.8.2018, durch das der Kläger aufgefordert wurde, sich binnen dreier Wochen zu erklären, ließ er trotz des erneuten Hinweises auf die Folgen einer Fristversäumung unbeantwortet. Hieraufhin hob das ArbG Düsseldorf durch Beschl. v. 21.11.2018, dem Kläger zugestellt am 26.11.2018, die Bewilligung der PKH nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Fall ZPO auf.
Am 21.12.2018 ging beim ArbG die dagegen erhobene sofortige Beschwerde des Klägers ein. In dieser legte der Kläger auch seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unter Beifügung von Unterlagen dar. Das ArbG Düsseldorf hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem LAG Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. Das LAG hat die sofortige Beschwerde durch Beschl. v. 14.1.2019 zurückgewiesen, ohne die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Auf die Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das BVerfG durch Beschl. v. 20.2.2020 (1 BvR 427/19 – AP Nr. 4 zu § 124 ZPO) den Beschluss des LAG wegen Verletzung des Grundrechts des Klägers auf effektiven Rechtsschutz aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LAG Düsseldorf zurückverwiesen. Dies hat das BVerfG damit begründet, die Nichtzulassung einer Rechtsbeschwerde sei trotz Divergenz zur Entscheidung des BAG vom 19.11.2003 (5 AZB 46/03, RVGreport 2004, 195 [Hansens] = AGS 2004, 118) mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren gewesen, weil sie den Kläger von dem verfassungsrechtlich gebotenen Zugang zur Rechtsbeschwerdeinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise ausgeschlossen habe.
Im zweiten Durchgang hat das LAG Düsseldorf die sofortige Beschwerde des Klägers erneut zurückgewiesen und nunmehr die Rechtsbeschwerde zugelassen. Zur Begründung hat das LAG ausgeführt, die nach Ablauf der dem Kläger gesetzten Frist mit der sofortigen Beschwerde beigebrachten Unterlagen seien nicht zu berücksichtigen. Die Fristsetzung liefe vollständig ins Leere, wenn später eingereichte Unterlagen zu berücksichtigen seien.
Die – zugelassene – Rechtsbeschwerde des Klägers hatte beim BAG Erfolg.
II. Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung
1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO muss die Partei auf Verlangen des Gerichts jederzeit erklären, ob eine Veränderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Dazu muss sie nach § 120a Abs. 4 S. 1 ZPO das gem. § 117 Abs. 3 ZPO eingeführte Formular benutzen. Für die vom Gericht vorzunehmende Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gilt gem. § 120a Abs. 4 S. 2 ZPO die Bestimmung des § 118 Abs. 2 ZPO entsprechend. Zur Abgabe der Erklärung hat das Gericht der Partei entsprechend § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO eine Frist zu setzen. Gibt die Partei die geforderte Erklärung absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht fristgerecht ab, kann das Gericht die Bewilligung der PKH gem. § 124 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Fall ZPO aufheben.
2. Berücksichtigung neuen Vorbringens
Nach Auffassung des BAG waren hier die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufhebung der PKH-Bewilligung nicht erfüllt. Zwar sei der Kläger dem Verlangen des ArbG bis zur aufhebenden Entscheidung vom 21.11.2018 nicht nachgekommen. Der Kläger habe jedoch noch im Beschwerdeverfahren geltend machen können, dass die Bewilligungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen würden. Nach Auffassung des BAG war sein Vorbringen nicht auf das – erstinstanzliche – Überprüfungsverfahren beschränkt. Insoweit hat sich das BAG auf seinen zu § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO a.F. ergangenen Beschl. v. 18.11.2003 (RVGreport 2004, 195 [Hansens] = AGS 2004, 118) bezogen. Diese Rspr. könne – so das BAG – auch auf die Neufassung der gesetzlichen Bestimmungen übertragen werden ...