§ 11 Abs. 1 RPflG; §§ 104, 567, 568, 147 ZPO; § 46 ArbGG
Leitsatz
- Bei der Ermittlung des Beschwerdewertes nach einer teilweisen Abhilfe durch das Erstgericht kommt es für den Beschwerdewert auf den nach der Abhilfe verbleibenden Betrag an (vgl. OLG Celle v. 19.3.2010 – 2 W 89/10, Rn 9 – RVGreport 2010, 468 (Hansens) = AGS 2011, 345; KG 17.8.2006 – 5 W 21/06, Rn 3 – KGR 2006,354, jeweils m.w.N.).
- Nachdem gegen die angefochtene Entscheidung ein Rechtsmittel nicht (mehr) gegeben ist, ist der Rechtsbehelf als befristete Erinnerung (§ 11 Abs. 2 S. 1 RPflG) auszulegen.
- Sind in den vor einer Verfahrensverbindung gebührenrechtlich selbstständigen Klageverfahren bereits vergütungspflichtige Tätigkeiten angefallen, so bleiben die hierdurch entstandenen Gebühren von einer Verbindung unberührt. Einmal verdiente Gebühren können Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gegen ihren Willen nicht wieder verlieren.
- Dieses Spannungsverhältnis zwischen § 15 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 RVG einerseits und § 15 Abs. 4 RVG andererseits ist nur dadurch auflösbar, dass der Rechtsanwältin/dem Rechtsanwalt ein Wahlrecht eingeräumt wird:
- Es können entweder nur die Gebühren aus dem verbundenen Verfahren oder nur die bereits verdienten Gebühren aus den ursprünglich selbstständigen gebührenrechtlichen Angelegenheiten zzgl. evtl. erstmalig nach Verbindung verwirklichter Gebührentatbestände geltend gemacht werden (vgl. BGH v. 10.5.2010 – II ZB 14/09, Rn 13 ff. – RVGreport 2010, 334 (Hansens) = Rpfleger 2010, 696).
LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.11.2020 – 26 Ta (Kost) 6066/20
I. Sachverhalt
Das ArbG Potsdam hatte der Klage des Klägers durch Teil- und durch Schlussurteil stattgegeben. Die Beklagte hatte sowohl gegen das Teil- als auch gegen das Schlussurteil Berufung eingelegt. Beide Berufungen sind bei dem LAG Berlin-Brandenburg unter den gesonderten Aktenzeichen 18 Sa 1332/17 und 18 Sa 1582/17 eingetragen worden, aber – wie üblich – in derselben Akte geführt worden. Das LAG hat in beiden Berufungsverfahren die mündliche Verhandlung auf denselben Tag terminiert. Am Schluss der mündlichen Verhandlung hat das LAG über beide Berufungen in einem einzigen Urteil entschieden, in dem es "die Kosten des Berufungsverfahrens" zu 96 % der Beklagten und zu 6 % (richtig: 4 %) dem Kläger auferlegt hat. Eine förmliche Verbindung der beiden Berufungsverfahren war nicht erfolgt. Zu einer solchen Verbindung hatte das LAG auch nicht angeregt. Das LAG Berlin-Brandenburg hat für beide Berufungsverfahren gesonderte Gegenstandswerte festgesetzt.
Mit seinen beiden Kostenfestsetzungsanträgen vom 7.5.2018 hat der Kläger für jedes Berufungsverfahren jeweils Kosten i.H.v. 1.256,76 EUR zur Ausgleichung angemeldet. Die Beklagte hat für das unter dem Aktenzeichen 18 Sa 1332/17 geführte Berufungsverfahren Kosten i.H.v. 1.106,13 EUR und für das zum Aktenzeichen 18 Sa 1582/17 geführte Verfahren einen Betrag von 1.109,12 EUR zur Ausgleichung eingebracht.
In seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21.5.2019 hat der Rechtspfleger des ArbG Potsdam die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 1.162,24 EUR festgesetzt. Dabei hat er nur die für das Berufungsverfahren 18 Sa 1332/17 durch die Parteien zur Ausgleichung angemeldeten Kosten berücksichtigt. Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat der Kläger geltend gemacht, der Rechtspfleger habe bei der Kostenausgleichung nur die Anträge für das eine Berufungsverfahren berücksichtigt, die Kostenentscheidung des LAG habe jedoch beide Berufungsverfahren betroffen.
Durch Teilabhilfebeschluss vom 1.7.2020 hat der Rechtspfleger des ArbG Potsdam seinen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21.5.2019 dahin geändert, dass er einen weiteren durch den Kläger (richtig: durch die Beklagte) zu erstattenden Betrag i.H.v. 805,71 EUR festgesetzt hat. Bei der Berechnung des Erstattungsbetrags ist der Rechtspfleger nicht von den von den Parteien zur Ausgleichung geltend gemachten Beträgen für das Berufungsverfahren 18 Sa 1582/17 ausgegangen. Vielmehr hat er die nunmehr ausgeglichenen Kostenbeträge aus einem Gegenstandswert von 10.136,04 EUR bemessen, was der Summe der durch das LAG festgesetzten Einzel-Gegenstandswerte entspricht. I.Ü. hat der Rechtspfleger der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem LAG Berlin-Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt.
Das LAG hat die Vorlageentscheidung des Rechtspflegers aufgehoben und die Sache an das ArbG Potsdam (Richter) zur Entscheidung zurückverwiesen.
II. Zulässiger Rechtsbehelf gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss
1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO ist gegen die Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren die sofortige Beschwerde gegeben. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist in den Fällen, in denen die §§ 103 ff. ZPO anzuwenden sind, gem. § 21 Nr. 1 RPflG dem Rechtspfleger übertragen. Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RVG findet gegen die Entscheidung des Rechtspflegers die – befristete – Erinneru...