§ 4 Abs. 2 S. 2 InsVV; Nr. 9002 GKG KV
Leitsatz
- Für die ersten zehn Zustellungen können Insolvenzverwalter keine Auslagen geltend machen.
- Dies gilt auch dann, wenn insgesamt mehr als zehn Zustellungen erfolgt sind.
AG Norderstedt, Beschl. v. 21.12.2021 – 65 IK 27/21
I. Sachverhalt
In einem Insolvenzverfahren einer nat. Person wurde der Insolvenzverwalter nach § 8 InsO mit der Zustellung der Beschlüsse an die Beteiligten beauftragt. Am Verfahrensende rechnete der Insolvenzverwalter nach der aktuellsten Fassung der InsVV ab. Hierzu wurden 1.120,00 EUR nach §§ 10, 2 Abs. 2, 13 InsVV, eine Erhöhungsgebühr i.H.v. 210,00 EUR (11 Gläubiger) sowie eine Auslagenpauschale i.H.v. 15 % (§ 8 Abs. 3 InsVV) geltend gemacht. Weiter erfolgte ein Ansatz von 15 Zustellungen (§ 4 Abs. 2 S. 2 InsVV i.V.m. Nr. 9002 GKG KV). Das Insolvenzgericht entschied mit folgender Ausnahme antragsgemäß: Anstelle der vollen Zustellungen wurden lediglich 5 Zustellungen anerkannt, die ersten zehn Zustellungen hingegen wurden aberkannt. Begründet wurde diese Absetzung mit dem Wortlaut der Nr. 9002 GKG KV, wonach ein Ansatz der ersten zehn Zustellungen zu unterbleiben habe.
II. Reduzierung und Erhöhung der Mindestvergütung im Verbraucherverfahren
Im Verbraucherinsolvenzverfahren ist die Mindestvergütung von 1.400,00 EUR grds. auf den Betrag von 1.120,00 EUR zu reduzieren, §§ 10, 2 Abs. 2, 13 InsVV. Dies folgt dem gesetzgeberischen Willen, wonach Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren davon profitieren, dass im Rahmen des außergerichtlichen Einigungsversuchs eine geeignete Stelle die schuldnerischen Unterlagen bereits aufgearbeitet hat. Die Mindestvergütung beträgt 1.400,00 EUR, in Verbraucherverfahren regelmäßig gem. §§ 2 Abs. 2, 13 InsVV 1.120,00 EUR, sofern in dem Verfahren nicht mehr als 10 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben. Wird diese Zahl überschritten, so erhöht sich von 11 bis zu 30 Gläubigern die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um 210,00 EUR. Ab 31. Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene 5 Gläubiger um 140,00 EUR.
III. Aberkennung grds. der ersten 10 Zustellungen
Nach der Neuregelung der InsVV zum 1.1.2021 durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) (BT-Drucks 19/24181, 212) ist stets ein Abzug der ersten zehn Zustellungen bei der Vergütung des Insolvenzverwalters ausnahmslos vorzunehmen. Dies gilt nach Ansicht des AG Norderstedt auch dann, wenn insgesamt mehr als zehn Zustellungen erfolgt sind. Eine Nichtberücksichtigung der Auslagen für die ersten zehn Zustellungen verursachen i.Ü. keine gesonderten Zuschläge, da die zu überschreitende Bagatellgrenze von 5 % (BGH, Beschl. v. 11.5.2006 – IX ZB 249/04) nicht erreicht wird. Die Auslagen für die ersten zehn Zustellungen im Insolvenzverfahren verbleiben daher dem Insolvenzverwalter und können nicht geltend gemacht werden. Denkbar bleibt, dass im Zuge der InsVV-Reform zum 1.1.2021 die nicht berücksichtigungsfähigen Zustellauslagen in die allgemeine Erhöhung der Vergütung eingepreist wurden. Letztlich ist diese Frage aber unbeantwortet, führt jedoch auch zu keiner Kostenschmälerung, da eine Erhöhung der Vergütung insgesamt verbleibt.
IV. Bedeutung für die Praxis
1. Allgemeine Problematik
Wie bereits zuvor das AG Stade (AGS 2022, 84) und das AG Karlsruhe (AGS 2022, 85), beschäftigt sich das AG Norderstedt mit der seit 1.1.2021 "heiß" entbrannten Frage, ob nun die ersten 10 Zustellungen abzuerkennen sind (so das AG Norderstedt nun) oder ob dies nur dann greife, wenn es insgesamt unter 10 Zustellungen verbleibt (so die AG Karlsruhe und Stade). Interessanterweise bekennt das AG Norderstedt anders als die anderen Gerichte "pauschal" Farbe und will eine generelle Kürzung der ersten 10 Zustellungen sehen ("ausnahmslos"). Die Streitfrage, ob damit eine Kürzung auch dann vorzunehmen ist, wenn insgesamt mehr als 10 Zustellungen notwendig werden, wird damit eindeutig beantwortet.
2. Klarer gesetzlicher Wille
Anders als die AG Stade und Karlsruhe sieht das AG Norderstedt keinen Raum für Interpretationen. Sinngemäß sei dem Gesetzgeber dieser Streit bekannt gewesen, aus der Gesetzesbegründung lasse sich aber "eindeutig" der Wille entnehmen, eine Kürzung vorzunehmen. Der Gesetzgeber habe sich in der Gesetzesbegründung zum SanInsFoG zu dieser Frage nämlich positioniert. Dort heißt es zur Einführung des § 4 Abs. 2 S. 2 InsVV (BT-Drucks 19/24181, 212):
Die Regelung entspricht – und hier weist das AG Norderstedt darauf hin – den gemeinsamen Vorschlägen der Berufsverbände und wird auch vom Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e.V. sowie nahezu einhellig von den Ländern befürwortet“. Angesichts einer solchen klaren Regelung und Aussage bestünde kein Raum für Abweichungen. Eine "gestiegene" Belastung sei zudem nicht erkennbar, denn insgesamt bleibe ja nach Anpassung der Gebühren zum 1.1.2021 eine Erhöhung bestehen. Letztlich – so das Gericht – sei es auch nicht auszuschließen, dass dieser "V...