1. Für eine abschließende Beurteilung des Beschlusses fehlen leider einige Angaben. So wird nicht mitgeteilt, welche Gebühren der Pflichtverteidiger als angemessen angesehen hatte. Damit kann nicht abschließend beurteilt werden, ob er sein Ermessen richtig ausgeübt hat oder ob er die (magische) 20-%-Grenze der Rspr. überschritten hat. Auch ist dem Beschluss nicht eindeutig zu entnehmen, ob altes oder neues Recht anzuwenden ist. Der Ablauf der Verfahren, in dem mit der Hauptverhandlung offenbar dreimal begonnen worden ist, bevor man das Verfahren dann am 7.5.2021 mit einem Urteil abschließen konnte, spricht allerdings für altes Recht. Dafür spricht auch die für den 26.10.2020 festgesetzte Terminsgebühr von 320,00 EUR. Der Betrag entspricht nämlich exakt der Mittelgebühr der Nr. 4114 VV a.F.
2. Unabhängig von den Fragen: Man kann aber feststellen, dass die Entscheidung in zwei Punkten falsch ist.
a) Soweit das LG bei der Darstellung, welche Tätigkeiten bei der Bemessung der Terminsgebühr zu berücksichtigen sind, auf OLG Bremen (RVGreport 2012, 63 = StraFo 2012, 39 = StRR 2012, 278) verweist und damit offenbar begründen will, warum es manche Tätigkeiten des (Pflicht-)Verteidigers bei Bemessung der Terminsgebühr nicht berücksichtigt, ist das unzutreffend bzw. trägt die Entscheidung nicht. Denn bei der Bemessung der Terminsgebühr werden alle konkreten Tätigkeiten in Zusammenhang mit dem jeweiligen Termin erfasst. Das hat das OLG Bremen, auf das sich das LG bezieht, anders gesehen, was aber falsch ist (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 4 VV Rn 75 f. m.w.N.; Burhoff, AGS 2022, 97, 98, in diesem Heft). Damit legt der Rechtspfleger im Zweifel seiner Gebührenbemessung einen zu geringen Tätigkeitsumfang des Verteidigers zugrunde.
b) Unzutreffend sind auch die Ausführungen zur Nichtberücksichtigung von Wartezeiten und im Grunde genommen auch unredlich. Denn der Rechtspfleger bezieht sich zur Stützung seiner Auffassung, dass Verzögerungen – und damit längere "Terminszeiten" sich nicht auf die Terminsgebühr auswirken, nur auf die von ihm angeführte Entscheidung des OLG Saarbrücken. Er unterschlägt dabei die Rspr. anderer OLG, die das fast alles anders gesehen haben (KG AGS 2006, 278 = RVGreport 2007, 180 = StV 2006, 198; RVGreport 2006, 33 = AGS 2006, 123; RVGreport 2007, 305; OLG Bamberg AGS 2006, 124 m. Anm. N. Schneider; OLG Celle NStZ-RR 2007, 391 = StRR 2007, 203; OLG Celle RVGreport 2017, 16 = NStZ-RR 2016, 358 = JurBüro 2016, 574; OLG Dresden StRR 2008, 203 [Ls.]; OLG Düsseldorf RVGreport 2006, 470 = StraFo 2006, 473 = JurBüro 2006, 641 = StV 2007, 480; OLG Hamm RVGreport 2005, 351 = JurBüro 2005, 532 = StV 2006, 201; AGS 2006, 337; OLG Karlsruhe RVGreport 2005, 315 = StV 2006, 201; StraFo 2014, 39 = AGS 2013, 573 = RVGreport 2014, 194; OLG Koblenz NJW 2006, 1150 = StraFo 2006, 175 = AGS 2006, 285; OLG Köln AGS 2012, 233 = StraFo 2012, 249; OLG Naumburg, Beschl. v. 12.12.2006 – 1 Ws 579/06; OLG Nürnberg RVGreport 2008, 143 = StRR 2008, 200; OLG Oldenburg AGS 2008, 178 = StRR 2007, 163 [Ls.]; OLG Stuttgart RVGreport 2006, 32 = Rpfleger 2006, 36 = StV 2006, 200; OLG Zweibrücken StRR 2009, 123 [Ls.]); weitere Nachweise bei Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4 VV Rn 72).
Die Rspr. des OLG Saarbrücken ist vereinzelt geblieben. Die Entscheidungen der anderen OLG sind zwar zum Teil zum sog. Längenzuschlag des Pflichtverteidigers – jetzt Vorbem. 4.1 Abs. 3 VV – ergangen. Das ändert aber nichts daran, dass diese Rspr. auch bei der Bemessung der einer Terminsgebühr des Wahlanwalts zugrunde zu legenden Terminsdauer heranzuziehen ist (s. auch Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O.). Das gilt vor allem jetzt, nachdem die Vorbem. 4.1 Abs. 3 VV durch das KostRÄG 2021 v. 21.12.2020 (BGBl I, 3229) eingefügt worden ist. Denn deren Satz 1 beruht auf der o.a. Rspr. der OLG. Von daher ist der Rechtspfleger nicht auf der Höhe der Zeit gewesen, wobei sich nicht abschließend beurteilen lässt, welche finanziellen Nachteile dadurch dem Angeklagten und seinem Verteidiger entstanden sind.
c) Auch die der Entscheidung zugrunde gelegte durchschnittliche Terminsdauer von fünf Stunden bei der Strafkammer erscheint mit recht hoch. Das KG ist von nur drei bis vier Stunden ausgegangen (vgl. zuletzt KG AGS 2012, 392 = JurBüro 2012, 482 = RVGreport 2012, 391). Auch insoweit lassen sich aber die Auswirkungen auf die Festsetzung nicht abschließend beurteilen.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 3/2022, S. 113 - 115