Einen Hauptstreitpunkt bei der Beratungshilfe stellt die Beurteilung der Anzahl der Angelegenheiten dar. Dieser Streit ist bislang weder entscheiden noch obergerichtlich geklärt. Er ist einfach-rechtlich zu beurteilen und so bleibt es dabei, dass die verschiedenen Gerichte ein Füllhorn an Entscheidungen zum Thema Beratungshilfe entwickeln. Von Bedeutung ist die Frage der Angelegenheit deshalb, da sich dabei entscheidet, ob der Rechtsanwalt (bzw. die Beratungsperson) für den Mandanten einmal oder ggfs. mehrmals abrechnen kann. Bei sog. aufopfernden Pauschalgebühren kann dies entscheidend zu einer Wirtschaftlichkeit solcher Mandate beitragen. Der Streit um die Zahl der Angelegenheiten zeigt sich beispielhaft und insbesondere auf dem Gebiet des Familienrechtes. Komplexe, mehrschichtige Probleme führen hier häufig dazu, dass mehrere Sachverhalte "miterledigt" werden müssen. Während der Anwalt mehrere Angelegenheiten angibt, will das festsetzende Gericht häufig nur eine oder wenige Angelegenheiten sehen.
Aktuell bestehen verschiedene Grundansichten. Eine These argumentiert, dass es sich beim Zusammentreffen von Trennung oder Ehescheidung, Versorgungsausgleich, Vermögensauseinandersetzung, Kindes- und Ehegattenunterhalt, Sorge- und Umgangsrecht, Hausratsverteilung, güterrechtlichen Regelungen oder Zugewinnausgleichsansprüchen nur um eine Angelegenheit handelt, da der Gesamtkomplex aus einem identischen Grund/Lebenssachverhalt resultiert. Diese Ansicht ist jedoch "betagt" und wird heutzutage angesichts der geringen Beratungshilfegebühren kaum noch aufrechterhalten.
Überwiegend werden stattdessen nach einer anderen These verschiedene Angelegenheiten als gegeben angesehen. Es bestünde zwar ein gemeinsamer Anlass, dieser bilde dann aber den Grundstein weiterer Angelegenheiten.
Zwischen diesen beiden "Extremen" haben sich sodann einzelne Untermeinungen gebildet, die zwei, vier, acht oder mehrere Angelegenheiten vertreten. Ohne diese jetzt im Einzelnen bewerten zu wollen, zeigt sich jedenfalls, dass es eine Anzahl kaum noch überschaubarer Meinungen gibt, die sich hiermit beschäftigen. Folgend soll daher nochmals resümierend zusammengefasst werden, wie unterschieden werden kann. Die Begrifflichkeit der Angelegenheit ist insbesondere für die Beratungspersonen von immanenter Bedeutung. Durch eine – zulässige – zu strikte Auslegung kann es zu einer unzumutbaren Vergütung für den in der Beratungshilfe tätigen Berater kommen.
1. Kriterien der Angelegenheit
Wie oben unter I. dargelegt, bildet das Gerüst aus
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Gleichzeitigkeit und Einheitlichkeit des Auftrages |
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Gleichartigkeit des Verfahrens (gleicher Rahmen) und |
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dem inneren Zusammenhang der Beratungsgegenstände |
die Grundlage der Beantwortung der Frage, ob eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen.
Liegen diese Voraussetzungen im Einzelfall vor, spricht vieles für ein und dieselbe Angelegenheit. Anzumerken ist, dass bei der Begrifflichkeit "Gleichzeitigkeit" des Verfahrens die Lit. davon ausgeht, dass die Einzelaufträge für verschiedene Gegenstände dabei nicht zeitgleich gestellt werden müssen und sich auch im Laufe der Tätigkeit erweitern können, ohne dass eine neue Angelegenheit vorliegt. Abzustellen ist neben der Perspektive des Rechtsuchenden ("was soll der Anwalt alles für mich erledigen"?) auch auf die Perspektive der Beratungsperson ("darf ich die Angelegenheit objektiv als erledigt betrachten"?). Ist das Ziel erreicht, welches die Beratungsperson in der Angelegenheit erreichen will, ist diese damit erledigt.
2. Arbeitshilfe
Naturgemäß wird die Frage der Zahl der Angelegenheiten seitens der Staatskasse sicherlich anders beurteilt als vom Rechtsanwalt. Beigefügt ist eine kleine Arbeitshilfe zur Anzahl der Angelegenheiten in familienrechtlichen Beratungshilfe-Mandaten.
Sachgebiet |
Eine Angelegenheit |
Mehrere Angelegenheiten |
Scheidung und Scheidungsfolge |
Eine Angelegenheit (OLG Nürnberg FamRZ 2005, 740) Hinweis: Früher wurde diese Ansicht noch durch das OLG München (MDR 1988, 330) vertreten. Die Ansicht, wonach es nur 1 Angelegenheit sei, dürfte aber heute kaum noch zu finden sein! |
4 Angelegenheiten: – Scheidung, – Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem persönlichen Verhältnis zu Kindern, – Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Ehewohnung und dem Hausrat, – finanzielle Auswirkungen. (AG Pforzheim ... |