Dem Antrag des Angeklagten auf Entpflichtung von Rechtsanwalt R und auf Beiordnung von Rechtsanwalt E als Pflichtverteidiger war nach Ansicht des LG gem. § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO zu entsprechen. Nach § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört ist oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet sei. Maßstab für die Beurteilung ist die Sicht eines verständigen Beschuldigten (BGH RVGreport 2020, 239 = NStZ 2021, 60). Nach der Rspr. kann eine Erschütterung des Vertrauensverhältnisses auch vorliegen, wenn der bestellte Verteidiger auf den Abschluss einer zusätzlichen Honorarvereinbarung drängt (KG RVGreport 2012, 318 = StRR 2012, 261). Dabei ist indes zu beachten, dass auch der bestellte Verteidiger grds. eine Honorarvereinbarung abschließen darf (BGH NJW 2019, 676 = RVGreport 2019, 130 = RVGprofessionell 2019, 59), weshalb er eine solche zur Sprache bringen kann. Die Grenze des Zulässigen wird in der Regel als überschritten angesehen, wenn das Ansinnen des Verteidigers Erpressungscharakter hat (KG, a.a.O.). Zudem muss der Pflichtverteidiger vor Abschluss der Honorarvereinbarung darauf hinweisen, dass er auch ohne die Vereinbarung zu weiterer Verteidigung verpflichtet ist (BGH, a.a.O.). Die Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses muss allerdings substantiiert dargelegt werden (BGH NStZ 2021, 381).

Das LG Köln hat in Anwendung dieser Grundsätze dem Antrag des Angeklagten auf Auswechslung des Pflichtverteidigers entsprochen. Der Angeklagte habe dargelegt, er habe mit Rechtsanwalt R nach dessen Bestellung zu seinem Pflichtverteidiger über den Abschluss einer Honorarvereinbarung gesprochen, wobei der Rechtsanwalt R dem Angeklagten mitgeteilt habe, er möge diesbezüglich nicht in Kontakt mit seiner Familie, insbesondere seiner Schwester, Frau A, treten. Der Angeklagte hat weiter substantiiert ausgeführt, dass Rechtsanwalt R gleichwohl die Zahlung eines Honorars mit seiner Schwester vereinbart habe, ohne dass er diese zuvor darüber belehrt habe, dass er aufgrund seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger durch die Staatskasse vergütet werde und zur Verteidigung verpflichtet sei. Hierzu hat er ein Schreiben seiner Schwester vorgelegt, mit dem diese bestätigt, an Rechtsanwalt R 500,00 EUR gezahlt zu haben, ohne dass er sie darüber belehrt habe, dass seine Kosten von der Staatskasse getragen würden. Auch wenn Rechtsanwalt R bestritten habe, eine Honorarvereinbarung mit Frau A getroffen zu haben und er ausgeführt habe, dass er ihr auch in keiner Weise erklärt, angedeutet oder suggeriert habe, die Verteidigung ihres Bruders hinge davon ab, sei er dem vorgelegten Schreiben von Frau A nicht entgegen getreten. Hat er aber eine Zahlung von Frau A entgegen genommen, hat er damit nach den weiteren Ausführungen des LG Köln zunächst der ausdrücklichen Weisung seines Mandanten zuwider gehandelt, sich wegen Honorarforderungen nicht an seine Familie zu wenden. Weiter habe er Frau A nicht darüber belehrt, dass seine Kosten als Pflichtverteidiger von der Staatskasse getragen würden und er auch ohne weitere Zahlungen zur Verteidigung verpflichtet sei. Die Erhebung einer Zahlungsforderung könne auf Seiten der Familie des Inhaftierten ohne eine solche Belehrung nur dahingehend verstanden werden, dass eine ordnungsgemäße Verteidigung von der Zahlung abhängig sei. Von daher rechtfertige das Vorbringen des Angeklagten auch aus Sicht eines verständigen Beschuldigten den Schluss, dass das Vertrauensverhältnis zu dem bisherigen Pflichtverteidiger endgültig zerstört ist. Dem Antrag auf Auswechslung des Pflichtverteidigers sei daher zu entsprechen gewesen.

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