§§ 91 Abs. 1 S. 1, 104 Abs. 2 S. 1, 294 ZPO
Leitsatz
- Eine anwaltliche Versicherung stellt im Rahmen von § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO ein mögliches, aber nicht stets hinreichendes Mittel der Glaubhaftmachung dar.
- Die postalische Erreichbarkeit an einem Wohnsitz ist kein Nachweis des gewöhnlichen Aufenthalts unter dieser Adresse.
- Zu den Voraussetzungen des Nachweises des tatsächlichen Aufenthalts am Sitz des beauftragten Anwalts.
OLG Bamberg, Beschl. v. 23.1.2023 – 2 W 2/23
I. Sachverhalt
Der Kläger hatte im Wege der Stufenklage gegen die Beklagte vor dem LG Bamberg Pflichtteilsansprüche geltend gemacht. Hierbei ließ er sich von einem in München kanzleiansässigen Prozessbevollmächtigten vertreten. Als ladungsfähige Anschrift des Klägers war in der Klageschrift eine Straße in einer im Landkreis Bamberg gelegenen Gemeinde bezeichnet. Der Rechtsstreit endete durch Schlussurteil, in dem das LG Bamberg dem Kläger 78 % und der Beklagten 22 % der Kosten des Rechtsstreits auferlegt hat.
In seinem Kostenausgleichungsantrag machte der Kläger neben den gesetzlichen Gebühren auch die Reisekosten seines Münchener Prozessbevollmächtigten für die Wahrnehmung von fünf Verhandlungsterminen vor dem LG Bamberg i.H.v. insgesamt 1.366,00 EUR geltend. Dieser Betrag setzte sich aus Fahrtkosten des Prozessbevollmächtigten für die Benutzung des eigenen Kfz für eine Gesamtfahrtstrecke von 460 km zwischen München und Bamberg i.H.v. jeweils 138,00 EUR je Terminstag, aus Tage- und Abwesenheitsgeld für eine Abwesenheit von mehr als acht Stunden i.H.v. 70,00 EUR je Terminstag, der anteiligen Umsatzsteuer und einmalig aus Übernachtungskosten von 128,40 EUR zusammen.
Die hierzu angehörte Beklagte wandte sich – soweit hier von Interesse – gegen die Höhe der Terminsreisekosten. Angesichts der in der Klageschrift bezeichneten Wohnanschrift des Klägers im Bezirk des LG Bamberg sei ihrer Auffassung nach die Bestellung eines Münchener Prozessbevollmächtigten nicht notwendig gewesen. Die Rechtspflegerin gab hieraufhin dem Kläger auf, seinen behaupteten Wohnsitz in München durch Auszug aus dem Einwohnermelderegister nachzuweisen. Hieraufhin hat der Kläger unter Vorlage einer anwaltlichen Versicherung seines Prozessbevollmächtigten vorgetragen, sein Anwalt habe bereits vor Klageerhebung über Monate mit dem Kläger einen Schriftverkehr unter dessen Wohnadresse in München geführt. Hierzu legte er überwiegend geschwärzte Schreiben unter dem Kanzleibriefkopf seines Rechtsanwalts vor, die jeweils an die Münchener Adresse des Klägers gerichtet waren. Ferner legte der Kläger weitere ihn betreffende Schreiben einer Versicherungsgesellschaft und eines Bankinstituts unter dieser Adresse vor.
Die Rechtspflegerin des LG Bamberg hat in ihrem Kostenfestsetzungsbeschluss die Reisekosten des Klägers nur i.H.d. fiktiven Kosten berücksichtigt, die bei Beauftragung eines am entferntesten Ort des Bezirks des LG Bamberg ansässigen Rechtsanwalts angefallen seien. Dabei sei von einer Entfernung je Fahrtstrecke von 59 km auszugehen und von einem Tage- und Abwesenheitsgeld i.H.v. jeweils 25,00 EUR. Insgesamt errechnete die Rechtspflegerin erstattungsfähige Terminsreisekosten des Klägers i.H.v. 394,50 EUR.
Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde wandte sich der Kläger gegen die Absetzung des größten Teils der beantragten Terminsreisekosten. Zur Begründung hat er auf seine im Kostenfestsetzungsverfahren erfolgten Darlegungen zum hinreichenden Nachweis seines Wohnsitzes in München verwiesen.
Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
II. Notwendigkeit der Terminsreisekosten
1. Grundsatz
Die Beurteilung der Frage, ob aufgewandte Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO notwendig waren, hat sich nach Auffassung des OLG Bamberg daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei dürfe die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen, die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen. Die Partei treffe lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (BGH AGS 2003, 101 m. Anm. Madert = BRAGOreport 2003, 13 [Hansens]; s. auch Hansens, AnwBl 2011, 760).
2. Einschaltung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten
Wenn die erstattungsberechtigte Partei einen außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt, muss nach den weiteren Ausführungen des OLG Bamberg im Kostenfestsetzungsverfahren im Hinblick auf § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO geprüft werden, ob die von ihr geltend gemachten Terminsreisekosten notwendig waren. Dabei sei die Notwendigkeit der Hinzuziehung des auswärtigen Prozessbevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zu prüfen. Nur wenn diese Notwendigkeit bejaht werde, seien die tatsächlichen Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten erstattungsfähig.
Das OLG Bamberg hat auf die st. Rspr. des BGH verwiesen, nach der die Hinzuziehung eines auswärtigen Prozessbevollmächti...