§ 104 Abs. 2 S. 3 ZPO
Leitsatz
- Im Kostenfestsetzungsverfahren sind Umsatzsteuerbeträge bereits dann zu berücksichtigen, wenn der Antragsteller erklärt, dass er diese Beträge nicht als Vorsteuer abziehen könne.
- Der Erstattungsberechtigte muss diese Erklärung nicht glaubhaft machen oder sonst wie bekräftigen. Die Richtigkeit der Erklärung ist nämlich im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen. Das Kostenfestsetzungsverfahren soll nicht mit schwierigen Fragen des materiellen Umsatzsteuerrechts belastet werden.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.5.2022 – 6 W 28/22
I. Sachverhalt
Die Verfügungsklägerin, eine juristische Person in Form einer GmbH, beantragte aufgrund der ihr günstigen Kostengrundentscheidung des LG Cottbus die Festsetzung ihrer Anwaltskosten, darunter gem. Nr. 7008 VV ein Umsatzsteuerbetrag i.H.v. 296,40 EUR, gegen die Verfügungsbeklagte. Der Kostenfestsetzungsantrag enthielt die Erklärung, die Verfügungsklägerin könne die Umsatzsteuer nicht zum Vorsteuerabzug verwenden. Außerdem fügte die Verfügungsklägerin entweder ihrem Antrag oder einem nachfolgenden Schreiben eine Auskunft des von ihr beauftragten Steuerbüros bei, nach der der vorliegende Rechtsstreit ein Grundstück mit umsatzfreien Umsätzen betreffe und deshalb ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht komme.
Der Rechtspfleger des LG Cottbus hat dem Kostenfestsetzungsantrag – soweit hier von Interesse – hinsichtlich des Umsatzsteuerbetrages entsprochen. Mit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat die Verfügungsbeklagte geltend gemacht, die Behauptung der Verfügungsklägerin, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, müsse falsch sein.
Das OLG Brandenburg hat die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten zurückgewiesen.
II. Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen im Kostenfestsetzungsverfahren
1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO genügt im Kostenfestsetzungsverfahren zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann. Ist der Antragsteller hinsichtlich der geltend gemachten Umsatzsteuerbeträge vorsteuerabzugsberechtigt, wird er letztlich mit diesen Umsatzsteuerbeträgen nicht belastet. Deshalb kann er diese Beträge auch nicht von der unterlegenen Gegenpartei erstattet verlangen.
2. Keine Überprüfung der Erklärung
Nach Auffassung des OLG Brandenburg ist die Erklärung nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen. Deshalb müsse der Antragsteller seine Erklärung auch nicht glaubhaft machen oder sonst irgendwie bekräftigen. Das Kostenfestsetzungsverfahren soll nämlich nicht mit schwierigen Fragen des materiellen Umsatzsteuerrechts belastet werden (s. BVerfG AGS 1996, 68 für einen sich in einer privaten Angelegenheit selbst vertretenden Rechtsanwalt; OLG Düsseldorf Rpfleger 2004, 184 für eine GmbH).
3. Maßnahmen des Erstattungspflichtigen
Der erstattungspflichtige Gegner ist nach den weiteren Ausführungen des OLG Brandenburg gegen die Festsetzung von Umsatzsteuerbeträgen allein aufgrund der Erklärung nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO nicht ungerechtfertigt bereichert. Vielmehr könne er sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss, der die beantragten Umsatzsteuerbeträge enthält, mit einer Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO wenden. Oder er verlangt nach Zahlung (auch) des Umsatzsteuerbetrages diesen Betrag mit der Bereicherungsklage nach § 812 BGB von dem Erstattungsberechtigten zurück. Diese Rechtsstreitigkeiten, in denen der Richter nach mündlicher Verhandlung entscheidet, sind nach Auffassung des OLG Brandenburg besser geeignet, um schwierige umsatzsteuerrechtliche Fragen zu klären als das vor dem Rechtspfleger grds. schriftlich durchzuführende Kostenfestsetzungsverfahren (OLG Brandenburg AGS 2019, 350 = RVGreport 2019, 191 [Hansens]).
4. Ausnahmen
Ausnahmsweise sind die Umsatzsteuerbeträge trotz der nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO abgegebenen Erklärung des Antragstellers dann nicht zu berücksichtigen, wenn die Richtigkeit dieser Erklärung durch einen vom Erstattungspflichtigen zu erbringenden Beweis entkräftet worden ist oder sich die offensichtliche Unrichtigkeit der Erklärung aus anderen, dem Gericht bekannten Umständen zweifelsfrei ergibt (BGH AGS 2003, 276 = BRAGOreport 2003, 116 [Hansens]). Hierzu genügt nach den Ausführungen des OLG Brandenburg jedoch nicht allein die Tatsache, dass die Antragstellerin eine juristische Person in Form einer GmbH ist. Hieraus könne nicht zweifelsfrei auf deren Vorsteuerabzugsberechtigung geschlossen werden. Ferner hat das OLG darauf hingewiesen, dass sich aus der von der Verfügungsklägerin vorgelegten Auskunft des von ihr beauftragten Steuerbüros ergeben habe, dass der vorliegende Rechtsstreit ein Grundstück mit umsatzfreien Umsätzen betreffe und daher ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht komme. Dem sei die Beklagte nicht entgegengetreten.
III. Bedeutung für die Praxis
1. Grundsätze der Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen im Kostenfestsetzungsverfahren
Im Kostenfestsetzungsverfahren machen sich die damit befassten Rechtspfleger/Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und die mit Rechtsbehelfsverfahren befas...