a) Grundsätze
Die Verfahren vor dem verweisenden und dem annehmenden Gericht bilden einen Rechtszug und damit nach § 15 Abs. 2 RVG eine Angelegenheit. Der Rechtsanwalt/Verteidiger, der in beiden Verfahren tätig wird, kann die Gebühren für beide Verfahren daher nur einmal fordern.
Beispiele für Verweisung innerhalb derselben Instanz sind die Verweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit vom AG X an das LG Y (Strafkammer), vom AG X an das LG Y (Schwurgericht), vom AG X (Jugendgericht) an das AG Y (Jugendschöffengericht) und vom LG X an das OLG Y. Wird ein Verfahren innerhalb des LG von einer Strafkammer an eine andere abgegeben, weil diese nach der Geschäftsverteilung zuständig ist, ist das eine Abgabe wegen funktioneller Unzuständigkeit. Verweisungen wegen örtlicher Unzuständigkeit finden im Strafverfahren nicht statt (zu der gebührenrechtlichen Behandlung der Abgabe/Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit s. II. 6.).
Falls aufgrund der Verweisung/Abgabe unterschiedlich hohe Betragsrahmen Anwendung finden, gilt: Der Betragsrahmen der Grundgebühr Nr. 4100 VV und der Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren nach Nr. 4104 VV knüpfen nicht an die Ordnung des Gerichts an. Die Verweisung hat auf diese Gebühren daher auf keinen Fall Auswirkungen. Die gerichtliche Verfahrensgebühr richtet sich (immer) nach dem Rahmen des höchsten mit der Sache befassten Gerichts (vgl. a. unten Beispiele 1 und 3). Die gerichtliche Terminsgebühr knüpft ebenfalls daran an, vor welchem Gericht verhandelt worden ist.
b) Beispiele
Beispiel 1
Gegen den B ist beim Schöffengericht ein umfangreiches Verfahren wegen Verkehrsstraftaten anhängig. Dieses wird nach Anklageerhebung vom AG gem. § 225a Abs. 1 StPO der Strafkammer vorgelegt, die es übernimmt. Dort findet eine eintägige Hauptverhandlung statt. B ist von Anfang an von R vertreten worden. Alle Kriterien des § 14 RVG sind durchschnittlich.
Entstanden sind folgende Gebühren:
Im vorbereitenden Verfahren sind entstanden die Grundgebühr Nr. 4100 VV, die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV (vorbereitendes Verfahren) und die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV. Im gerichtlichen Verfahren sind angefallen die Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV, die Terminsgebühr Nr. 4114 VV und die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV. Die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren richtet sich deshalb nach der landgerichtlichen Stufe, weil das LG das höchste der mit der Sache im gerichtlichen Verfahren befassten Gerichte ist.
Beispiel 2
Gegen den B ist beim Schöffengericht ein umfangreiches Verfahren wegen Verkehrsstraftaten anhängig. Dieses wird vom AG in der Hauptverhandlung gem. § 270 Abs. 1 StPO an die Strafkammer verwiesen. Dort findet eine eintägige Hauptverhandlung statt. B ist von Anfang an von Rechtsanwalt R vertreten worden. Alle Kriterien des § 14 RVG sind durchschnittlich.
Entstanden sind folgende Gebühren:
Im vorbereitenden Verfahren sind entstanden die Grundgebühr Nr. 4100 VV, die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV (vorbereitendes Verfahren) und die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV. Im gerichtlichen Verfahren sind die Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV, die Terminsgebühr Nr. 4108 VV (AG) und die Terminsgebühr Nr. 4114 VV (LG) sowie die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV angefallen.
Die gerichtliche Verfahrensgebühr erhält der Rechtsanwalt aus dem landgerichtlichen Rahmen, weil das LG das höchste der mit der Sache im gerichtlichen Verfahren befassten Gerichte ist. Die Terminsgebühr entsteht in den Fällen der Verweisung (immer) aus dem Rahmen des Gerichts, bei dem die Hauptverhandlungen durchgeführt worden sind. Etwas anderes folgt für die Terminsgebühr Nr. 4108 VV nicht aus § 20 S. 1 RVG. Dieser regelt nämlich nicht, dass die Gebühren in einem Rechtszug sich nur aus einem Zuständigkeitsrahmen ergeben können und ggf. bereits entstandene Gebühren daher "angehoben" werden. Eine solche Rückwirkung gibt es im RVG nicht. Das entspricht dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 RVG.
Beispiel 3
Gegen den B ist ein Strafverfahren wegen Vergewaltigung anhängig. Dieses wird bei der Strafkammer angeklagt. Diese eröffnet aber gem. § 209 Abs. 1 StPO beim AG. Dort findet eine eintägige Hauptverhandlung statt. B ist von Anfang an von Rechtsanwalt R vertreten worden.
Entstanden sind folgende Gebühren:
Im vorbereitenden Verfahren sind entstanden die Grundgebühr Nr. 4100 VV, die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV (vorbereitendes Verfahren) sowie die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV. Im gerichtlichen Verfahren sind angefallen die Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV, die Terminsgebühr Nr. 4108 VV und die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV.
Das LG ist das höchste mit der Sache befasste Gericht. Daher verbleibt es trot...