Nr. 4142 VV RVG
Leitsatz
Ein gefälschter (polnischer) Führerschein hat keinen objektiven Verkehrswert.
LG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 20.3.2023 – 22 Qs 1/23
I. Sachverhalt
Der Rechtsanwalt ist für die Beschuldigte, der er als Pflichtverteidiger bestellt war, in einem Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung tätig geworden. Der Beschuldigten wurde zur Last gelegt, am 22.3.2022 im Straßenverkehrsamt des Landkreises Märkisch-Oderland einen gefälschten polnischen Führerschein zum Umtausch in eine deutsche Fahrerlaubnis vorgelegt zu haben. Eine Anfrage des Landkreises Märkisch-Oderland beim KFB in Flensburg hatte ergeben, dass die Beschuldigte nicht im Besitz einer polnischen Fahrerlaubnis ist. Ausweislich der Auskunft des KFB war die auf dem vorgelegten polnischen Führerschein angegebene Führerscheinnummer falsch, da in Polen keine Behördenkennung mit der auf dem Führerschein angegebenen Nummer existiert. Aufgrund dieser Auskunft hat die Sachbearbeiterin des Straßenverkehrsamtes des Landkreises Strafanzeige bei der Polizei erstattet. Am 11.7.2022 hat die Beschuldigte dann das polnische Dokument bei der Führerscheinstelle des Landkreises abgegeben.
Bereits im Jahr 2021 war bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin ein Verfahren gegen die Beschuldigte wegen des Verdachts der Urkundenfälschung in Bezug auf denselben polnischen Führerschein geführt worden. Dieses Verfahren, in welchem der polnische Führerschein der Beschuldigten zunächst sichergestellt, dann aber wieder herausgegeben worden war, war zunächst am 2.2.2022 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Nach Kenntniserlangung von der Auskunft des KFB hatte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder aufgenommen und beim AG Neuruppin am 19.7.2022 einen Durchsuchungsbeschluss zur Erlangung des gefälschten Führerscheins erwirkt, welcher wegen der zuvor erfolgten freiwilligen Herausgabe des Dokuments nicht mehr realisiert werden musste. Zwischenzeitlich wurde das Verfahren erneut nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Die Beschuldigte war erstmals durch ein schriftliches Anhörungsschreiben der Staatsanwaltschaft vom 2.9.2022 mit dem Tatverdacht in dem Ermittlungsverfahren konfrontiert worden. In dem Verfahren hat sich der Rechtsanwalt für die Beschuldigte gemeldet, hat Akteneinsicht sowie die Einstellung des Verfahrens beantragt und ist zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte inzwischen gem. § 153 Abs. 1 StPO eingestellt. Mit der Einstellungsnachricht wurde bei dem Pflichtverteidiger angefragt, ob Einverständnis mit der außergerichtlichen Einziehung des polnischen Führerscheins bestehe, was dieser bejaht hat.
Der Pflichtverteidiger hat die Festsetzung seiner Vergütung beantragt. Dabei hat er die Festsetzung einer zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV nach einem Gegenstandswert von 5.000,00 EUR beantragt. Auf Antrag der Rechtspflegerin hat das AG den Gegenstandswert betreffend den Einziehungsgegenstand auf 0 EUR festgesetzt, da der gefälschte Führerschein keinen objektiven Verkehrswert habe. Dagegen richtet sich das Rechtsmittel des Pflichtverteidigers. Zur Begründung trägt er vor, dass die Anfrage der Staatsanwaltschaft betreffend die außergerichtliche Einziehung einen entsprechenden anwaltlichen Beratungsbedarf ausgelöst habe und der außergerichtlichen Einziehung erst nach dieser Beratung zugestimmt worden sei. Auf die Frage, ob es sich bei dem einzuziehenden Gegenstand um eine Fälschung oder ein gültiges Dokument gehandelt habe, komme es nicht an. Die in Bezug auf die Einziehung entfaltete Tätigkeit müsse vergütet werden. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Bezirksrevisor hat keine Einwendungen gegen die Wertfestsetzung des AG erhoben würden. Der Pflichtverteidiger hat dazu noch einmal Stellungnahme genommen und geltend gemacht, dass sich die für die Wertgebühr maßgebende Höhe des Wertes des Gegenstandes nach den zum Zeitpunkt der Beratung erkennbaren Anhaltspunkten richte; ob sich später Anhaltspunkte für einen niedrigeren Wert ergeben würden, sei unerheblich. Dieser Zeitpunkt habe vor dem 5.8.2021 gelegen, dem Datum der Antragsschrift in dem in Neuruppin geführten Verfahren. Die Frage der Echtheit des Führerscheindokuments habe sich als schwierig erwiesen. Da der Führerschein der Beschuldigten im Verfahren in Neuruppin zunächst wieder herausgegeben worden sei, habe diese auf dessen Gültigkeit vertrauen dürfen. Die Fälschung sei für sie nicht erkennbar gewesen. Sie habe in Russland rechtmäßig eine Fahrerlaubnis erworben und nach deren Vorlage in Warschau gegen Entrichtung einer Bearbeitungsgebühr ein polnisches Fahrerlaubnisdokument erhalten. Somit habe das polnische Dokument zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung den objektiven Wert einer gütigen Fahrerlaubnis gehabt.
Der Einzelrichter hat die Entscheidung über die Beschwerde der Strafkammer übertragen. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
II. Zulässigkeit der gerichtlichen Wertfestsetzung
Die Kammer geht davon aus, dass eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 33 RVG zulässig war, auch wenn der b...