§§ 151, 162 Abs. 1, 165 VwGO; § 4a RVG a.F.
Leitsatz
- Ein über die gesetzliche Vergütung des Prozessbevollmächtigten der erstattungsberechtigten Partei hinausgehendes vereinbartes Erfolgshonorar gehört nicht zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen i.S.v. § 162 Abs. 1 VwGO.
- Unter den in § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO aufgeführten regelmäßig erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts sind nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen nach dem RVG zu verstehen. Die diese übersteigende, auf der Grundlage einer zwischen der obsiegenden Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten geschlossenen Honorarvereinbarung zu zahlende Vergütung ist von dem unterliegenden Prozessgegner nicht zu erstatten.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.1.2023 – OVG 6 K 81/22
I. Sachverhalt
Der zwischen der Klägerin und dem Beklagten vor dem VG Berlin geführte Rechtsstreit endete durch vor Gericht geschlossenen Vergleich vom 5.3.2020. Danach hatte der Beklagte der Klägerin deren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Im Kostenfestsetzungsverfahren machte die Klägerin unter Hinweis auf eine mit ihrem Prozessbevollmächtigten geschlossene Erfolgshonorarvereinbarung Anwaltskosten in doppelter Höhe der gesetzlichen Vergütung geltend. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des VG Berlin setzte im Kostenfestsetzungsbeschl. v. 12.1.2021 Anwaltskosten gegen den Beklagten nur i.H.d. gesetzlichen Gebühren und Auslagen nach dem RVG fest. Die Festsetzung des darüber hinausgehenden Betrages lehnte die Urkundsbeamtin mit der Begründung ab, die Honorarvereinbarung entspreche nicht den Anforderungen des § 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG a.F. Folglich könne die Klägerin keine höhere als die gesetzliche Vergütung ihres Prozessbevollmächtigten fordern. Damit sei auch der gegen den Beklagten festzusetzende Erstattungsbetrag der Höhe nach entsprechend begrenzt.
Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) hat das VG Berlin durch Beschl. v. 26.10.2022 zurückgewiesen. Die dagegen von der Klägerin erhobene Beschwerde hatte beim OVG Berlin-Brandenburg keinen Erfolg.
II. Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten
1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 162 Abs. 1 VwGO gehören zu den von der unterlegenen Partei zu erstattenden Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der erstattungsberechtigten Partei. Gem. § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig.
2. Höhe der erstattungsfähigen Anwaltskosten
Das OVG Berlin-Brandenburg hat die Auffassung des VG Berlin geteilt, wonach zu den von der Beklagten aufgrund der Kostenregelung in dem gerichtlichen Vergleich zu erstattenden Anwaltskosten lediglich die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts auf der Grundlage des RVG zu verstehen seien. Die diese übersteigenden, auf der Grundlage einer geschlossenen Honorarvereinbarung von der Klägerin an ihren Prozessbevollmächtigten zu zahlenden Rechtsanwaltskosten seien hingegen vom unterliegenden Prozessgegner nicht zu erstatten. Dabei hat sich das OVG nicht die Begründung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des VG Berlin zu eigen gemacht, die zwischen der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten getroffene Honorarvereinbarung genüge nicht den Anforderungen des § 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG a.F. Maßgeblich für das OVG Berlin-Brandenburg war vielmehr, dass die Honorarvereinbarung allein das Innenverhältnis zwischen der obsiegenden Partei (hier der Klägerin) und ihrem Prozessbevollmächtigten regele, nicht jedoch auch deren Verhältnis zum erstattungspflichtigen Prozessgegner. Anderenfalls würde nämlich – so fährt das OVG fort – der im Prozess unterlegenen Partei durch einen Vertrag zulasten Dritter ein unkalkulierbares Kostenrisiko aufgebürdet, das allein in den Risikobereich desjenigen fällt, der sich bestimmter anwaltlicher Hilfe versichern wolle und deshalb eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung mit seinem Rechtsanwalt treffe.
3. Verschulden des Erstattungspflichtigen nicht maßgeblich
Die Klägerin hatte geltend gemacht, sowohl im Hinblick auf das von ihr zumindest erstinstanzlich angenommene Verschulden des Beklagten im Vorfeld der Klageerhebung als auch aufgrund dessen Bindung an Art. 19 Abs. 4 GG mit Blick auf die Regelung des § 162 Abs. 1 VwGO sei das vereinbarte Erfolgshonorars erstattungsfähig. Das OVG Berlin-Brandenburg hat diesem Vorbringen entgegen gehalten, es wäre Sache der Klägerin gewesen, die Erstattung des von ihr mit ihren Prozessbevollmächtigten vereinbarten Erfolgshonorars zum Gegenstand des zwischen ihr und dem Beklagten abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs zu machen. Von dieser Möglichkeit habe sie jedoch keinen Gebrauch gemacht. Im Gegenteil ergebe sich aus der Begründung des Kostenfestsetzungsantrags der Klägerin, dass diese im Vorfeld des gerichtlichen Vergleichsvorschlages gerade nicht auf eine der Honorarvereinbarung entsprechende Regelung über die Kostenerstattung durch den Beklagten hingewirkt habe. Hierzu hätte jedoch – so ...