§§ 32, 57 FamGKG; Nr. 1501 FamGKG KV; § 176 Abs. 1 GVG
Leitsatz
- Die Anordnung zum Tragen eines Mund-/Nasenschutzes nach § 176 Abs. 1 GVG im Sitzungssaal ist nicht willkürlich und für alle Beteiligten bindend.
- Zur Verhängung einer Verzögerungsgebühr gem. § 32 FamGKG bei Zuwiderhandlung und Terminsvertagung.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.9.2022 – 7 WF 116/22
I. Sachverhalt
In einem Verfahren auf Zahlung von Betreuungsunterhalt hat das AG Melsungen – FamG – Termin zur mündlichen Verhandlung und Fortsetzung der Beweisaufnahme auf den 10.6.2022 anberaumt. Zu diesem Termin hat das FamG das persönliche Erscheinen der Beteiligten angeordnet und zwei Zeugen verfahrensleitend geladen. In dem Verhandlungstermin hat sich Folgendes ereignet, was das FamG in der Sitzungsniederschrift wie folgt vermerkt hat:
Zitat
"Die Antragstellervertreterin weigerte sich, eine Mund-/Nasenbedeckung aufzuziehen. Das Gericht wies darauf hin, dass es im Rahmen seiner Sitzungsgewalt einen Mund-/Nasenschutz verlangt. Die Antragstellervertreterin weigerte sich weiter, eine Mund-/Nasenbedeckung aufzuziehen."
Am Ende der Sitzung hat das FamG einen neuen Termin anberaumt, die Beteiligten und ihre Verfahrensbevollmächtigten zu diesem Termin geladen und angeordnet, dass sämtliche Beteiligte eine Mund-/Nasenbedeckung aufzuziehen haben. Ferner hat das FamG durch weiteren Beschl. v. selben Tage der Antragstellerin gem. § 32 FamGKG eine 1,0-Verzögerungsgebühr nach einem Verfahrenswert von 15.840,00 EUR i.H.v. 324,00 EUR auferlegt. Dies hat das FamG damit begründet, die Antragstellerin habe durch Verschulden ihrer Verfahrensbevollmächtigten, welches ihr gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen sei, die Vertagung der mündlichen Verhandlung notwendig gemacht. Die Vertagung sei erforderlich gewesen, weil das Gericht in Ausübung seiner sitzungspolizeilichen Befugnisse nach § 176 Abs. 1 GVG das Tragen einer Mund-/Nasenbedeckung verlangt hatte und die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin dieser Anordnung keine Folge geleistet habe. Eine Reduzierung des Gebührensatzes gem. § 32 S. 2 FamFG hat das FamG nicht vorgenommen, weil die Verfahrensbevollmächtigte vorsätzlich gehandelt habe. Außerdem habe die Vertagung nicht nur zu einer Verzögerung des Verfahrens geführt. Vielmehr hätten die beiden Zeugen erneut geladen werden müssen, wobei einer von den Zeugen eine weite Anreise habe.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Dies hat sie damit begründet, es habe keine Veranlassung gegeben, den Termin wegen der Weigerung ihrer Verfahrensbevollmächtigten, eine Mund-/Nasenbedeckung aufzusetzen, zu vertagen. Außerdem habe für die getroffene Anordnung des Gerichts keine Rechtsgrundlage bestanden. Die Anordnung der Familienrichterin sei auch willkürlich, unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft.
Das FamG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Frankfurt zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Zulässigkeit der Beschwerde
Gegen den Beschluss, durch den das FamG einem Beteiligten eine Verzögerungsgebühr gem. § 32 FamGKG auferlegt hat, findet gem. § 60 FamGKG die Beschwerde statt. Diese Beschwerde unterliegt nach den Ausführungen des OLG Frankfurt keiner Frist. Der Wert des Beschwerdegegenstandes muss allerdings 200,00 EUR übersteigen, was hier der Fall war, da die Verzögerungsgebühr sich hier auf 324,00 EUR belief. I.Ü. finden gem. § 60 S. 2 FamGKG bestimmte Regelungen über die Rechtsbehelfe gegen den Gerichtskostenansatz in § 57 FamGKG entsprechende Anwendung.
III. Begründetheit der Beschwerde
Die somit zulässige Beschwerde der Antragstellerin hatte nach Auffassung des OLG Frankfurt keinen Erfolg.
1. Rechtliches Gehör
Die Antragstellerin hatte zunächst gerügt, ihr sei vor dem Erlass des Beschlusses vom 10.6.2022, durch den ihr die Verzögerungsgebühr auferlegt worden war, kein rechtliches Gehör gewährt worden. Das OLG Frankfurt hat ihr zugestanden, dass dies nach Aktenlage zutreffen könnte. Jedoch sei der Antragstellerin das rechtliche Gehör spätestens im Rahmen des zweistufigen Beschwerdeverfahrens nachträglich gewährt worden, was ausreiche (NK-GK/Hagen Schneider, 3. Aufl., 2021, § 32 FamGKG Rn 40).
2. Verhängung der Verzögerungsgebühr
Nach Auffassung des OLG Frankfurt lagen hier die Voraussetzungen für die Verhängung der Verzögerungsgebühr gem. § 32 S. 1 FamGKG vor. Die Rechtsgrundlage für die von der Familienrichterin getroffene Anordnung, in der mündlichen Verhandlung eine Mund-/Nasenbedeckung aufzusetzen, hat das OLG Frankfurt in § 176 Abs. 1 GVG gesehen. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift obliegt die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung dem Vorsitzenden. Diese sitzungspolizeilichen Befugnisse sind – so fährt das OLG Frankfurt fort – Bestandteil der unabhängigen richterlichen Gewalt. § 176 Abs. 1 GVG räume der Vorsitzenden eine nicht von dem Hausrecht der Justizverwaltung abgeleitete Befugnis ein, im Sitzungssaal Maßnahmen anzuordnen, die der Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung des Verfahrensablaufes und dem Schutze der Verfahrensbeteiligten diene. Hierzu geh...