Nr. 4142 VV RVG
Leitsatz
Auch wenn die Staatsanwaltschaft in ihrer Abschlussverfügung erklärt hat, von Maßnahmen der Vermögensabschöpfung abzusehen, macht das eine Beratung des Mandanten im Hinblick auf Maßnahmen zur Vermögensabschöpfung nicht überflüssig, sodass eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV entsteht.
LG Chemnitz, Beschl. v. 5.1.2024 – 4 Qs 348/23
I. Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten in ihrer Anklageschrift Steuerhinterziehung in sechs Fällen mit einem Gesamtschadensumfang von 1.079.582,56 EUR vor. In der staatsanwaltlichen Abschlussverfügung findet sich folgender Vermerk:
Zitat
"Gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO wird von der Einziehung abgesehen, weil das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern würde, zumal die Finanzbehörden die Steuernachforderungen selbst vollstrecken können."
Bereits zuvor hatte die zuständige Staatsanwältin vermerkt, dass von Maßnahmen der Vermögensabschöpfung abgesehen werde, weil es sich bei dem Beschuldigten um einen ausländischen Staatsbürger handele, dessen Aufenthalt unbekannt sei und Vermögenswerte des Angeklagten in der Bundesrepublik nicht bekannt seien.
Der Angeklagte ist dann vom AG aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt. Sein Verteidiger hat unter Vorlage einer Abtretungsvereinbarung mit dem Angeklagten beantragt, die ihm gegen die Staatskasse zustehenden Gebühren und notwendigen Auslagen i.H.v. 7.552,34 EUR festzusetzen. U.a. beantragte er die Festsetzung einer Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV i.H.v. 5.519,00 EUR.
Das AG hat diese Gebühr nicht festgesetzt. Dagegen hat der Rechtsanwalt sofortige Beschwerde eingelegt, die Erfolg hatte.
II. Allgemeines zur Gebühr Nr. 4142 VV
Das LG führt zur Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV aus, dass es sich um eine besondere, als Wertgebühr ausgestaltete Verfahrensgebühr handele. Diese entstehe (zusätzlich) für Tätigkeiten eines Rechtsanwaltes bei Einziehung oder verwandten Maßnahmen, hier als solchen nach § 73 StGB. Dabei genüge es, dass in dem Verfahren, in dem der Rechtsanwalt als Verteidiger tätig werde, eine Einziehung in Betracht zu ziehen sei. Es sei insbesondere nicht erforderlich, dass die Einziehung bereits beantragt sei, es reiche vielmehr aus, wenn nach Aktenlage eine Einziehung ernsthaft in Betracht komme. Nach der Novellierung der Einziehungsvorschriften sei gerade bei Verfahren wegen des Vorwurfes der Steuerhinterziehung stets damit zu rechnen, dass im Wege der Vermögensabschöpfung die hinterzogenen Steuerbeträge eingezogen werden. Besondere Tätigkeiten des Rechtsanwaltes seien hierbei nicht erforderlich, da ihm die Gebühr als reine Wertgebühr – unabhängig vom Umfang der Tätigkeit – zustehe. Es genüge also, wenn der Verteidiger – wie hier vorgetragen – beratend im Zusammenhang mit der drohenden bzw. in Betracht kommenden Einziehung tätig wird.
III. Konkreter Fall
Vorliegend habe der Verteidiger unwiderlegt vorgetragen, dass er den Angeklagten im Hinblick auf eine immer noch mögliche Einziehung beraten habe. Mit der staatsanwaltschaftlichen Abschlussverfügung sei nämlich eine mögliche Einziehung keinesfalls vom Tisch gewesen. Dem ist die Kammer beigetreten. Dass die Staatsanwaltschaft in der Abschlussverfügung erklärt habe, von Maßnahmen der Vermögensabschöpfung abzusehen, mache die Beratung nicht überflüssig. Ersichtlich habe die Staatsanwaltschaft nämlich darauf abgestellt, dass lediglich der Aufwand für Maßnahmen der Vermögensabschöpfung zu groß sei, insbesondere weil Vermögenswerte des Angeklagten im Inland nicht bekannt seien. Da die Staatsanwaltschaft ohnehin nur über vorläufige Maßnahmen zu entscheiden habe, die endgültige Entscheidung treffe letztlich das zuständige Gericht, sei gerade eine anwaltliche Beratung erforderlich gewesen, da ersichtlich gewesen sei, dass Einziehungsmaßnahmen dann wieder aufgenommen werden würden, wenn entsprechende Vermögenswerte bekannt würden. Zudem entfalte die Entscheidung in der Abschlussverfügung noch nicht einmal Bindungswirkung innerhalb der Staatsanwaltschaft, sodass jederzeit in einer Hauptverhandlung vom Sitzungsvertreter die Einziehung von Vermögensgegenständen hätte beantragt werden können.
IV. Gegenstandswert
Die Gebühr nach Nr. 4142 VV sei daher zusätzlich in Ansatz zu bringen. Die Höhe der Gebühr bemesse sich nach dem Gegenstandswert i.H.d. laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft hinterzogenen Steuer i.H.v. insgesamt 1.079.582,56 EUR.
V. Bedeutung für die Praxis
1. Anfall der Zusätzlichen Gebühr
Die Entscheidung ist zutreffend und entspricht der Rspr. der OLG und LG zum Entstehen der Nr. 4142 VV in den "Beratungsfällen". Stand der Rspr. insoweit ist, dass die Gebühr Nr. 4142 VV immer entsteht, wenn eine Beratung des Mandanten nahe gelegen hat. Und das kann sich nicht nur aus einem ggf. vorliegenden Einziehungsantrag der Staatsanwaltschaft ergeben, sondern eben auch aus der Art des Delikts, das man dem Beschuldigten vorwirft. Und da liegt es bei einer Steuerhinterziehung auf der Hand, dass bei diesen Delikten Einziehun...