§§ 103 ff., 240 ZPO

Leitsatz

  1. Die Unterbrechung des Rechtsstreits gem. § 240 S. 1 ZPO wirkt grundsätzlich auch für das Kostenfestsetzungsverfahren mit der Folge, dass während der Unterbrechung ein Kostenfestsetzungsbeschluss nicht ergehen darf.
  2. Hat das Prozessgericht zu den Erklärungen der Parteien, das Verfahren aufzunehmen und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, eine abschließende Entscheidung getroffen, hat es inzident auch über die Rechtswirksamkeit der Aufnahme entschieden.
  3. In einem solchen Fall endet die Unterbrechung, sodass nunmehr ein Kostenfestsetzungsbeschluss ergehen darf. Dies gilt auch dann, wenn die Entscheidung des Prozessgerichts über die Aufnahme des Rechtsstreits unrichtig war.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.10.2023 – 6 W 97/23

I. Sachverhalt

Das LG Potsdam hatte den bei ihm anhängigen Rechtsstreit wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer der beiden Parteien gem. § 240 S. 1 ZPO unterbrochen. Nach einiger Zeit reichte die Klägerin bei Gericht einen Schriftsatz des Inhalts ein, den Prozess wieder aufzunehmen sowie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung ausdrücklich angeschlossen. Hieraufhin hat das LG Potsdam durch Beschl. v. 8.4.2022 dem Beklagten gem. § 91a Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Dieser Beschluss wurde von keiner der Parteien angefochten und damit formell rechtskräftig.

Auf Antrag der Klägerin hat der Rechtspfleger des LG Potsdam die von dem Beklagten zu erstattenden Kosten festgesetzt. Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat der Beklagte eingewandt, das Verfahren sei nicht rechtswirksam aufgenommen worden, sondern befinde sich weiterhin im Stadium der Unterbrechung. Folglich hätte der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss nicht ergehen können.

Das OLG Brandenburg hat die sofortige Beschwerde des Beklagten zurückgewiesen.

II. Auswirkungen der Unterbrechung des Rechtsstreits auf Kostenfestsetzungsverfahren

1. Grundsätze

Die Unterbrechung des Rechtsstreits aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer der Parteien gem. § 240 S. 1 ZPO wirkt grds. auch für das Kostenfestsetzungsverfahren. Dies gilt auch für die Kosten der Vorinstanzen, wenn die Unterbrechungswirkung erst in einem späteren Rechtszug eintritt (BGH AGS 2006, 44 = RVGreport 2005, 393 [Hansens]).

2. Wiederaufnahme des Verfahrens

Die Unterbrechungswirkung des § 240 S. 1 ZPO gilt solange, bis das Verfahren nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften der InsO aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Nach Auffassung des OLG Brandenburg hat hier das LG Potsdam jedenfalls inzident über die Rechtswirksamkeit der Aufnahme des Verfahrens entschieden. Diese Entscheidung liege darin, dass das LG auf die Erklärungen der Klägerin, den Prozess aufzunehmen und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären und die ausdrückliche Erklärung des Beklagten, sich dieser Erledigungserklärung anzuschließen, durch Beschl. v. 8.4.2022 eine abschließende Kostenentscheidung getroffen habe.

Selbst wenn diese Entscheidung des LG – was hier der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde gerügt hatte – insoweit unrichtig gewesen sei, dass das Verfahren nicht i.S.v. § 240 S. 1 ZPO nach den Vorschriften der InsO wieder aufgenommen worden sei, führte dieser Mangel nach Auffassung des OLG Brandenburg nicht zur Nichtigkeit, sondern lediglich zur Anfechtbarkeit seiner Entscheidung. Gegen den nach § 91a ZPO ergangenen Kostenbeschluss sei jedoch eine gem. §§ 91a Abs. 2 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde nicht eingereicht worden. Somit war hier der Kostenbeschl. des LG Potsdam v. 8.4.2022 – worauf das OLG Brandenburg hingewiesen hat – in formeller Rechtskraft erwachsen (s. BGH NJW-RR 2012, 1465). Dies hatte hier zur Folge, dass sich der Beklagte nicht mehr mit Erfolg darauf berufen konnte, das Verfahren sei entgegen der dem Kostenbeschluss des LG Potsdam vom 8.4.2022 zugrunde liegenden rechtlichen Wertung nicht rechtswirksam aufgenommen worden.

III. Bedeutung für die Praxis

Die Praxis hat mit den Auswirkungen der Unterbrechung des Rechtsstreits auf das Kostenfestsetzungsverfahren so manchmal ihre Schwierigkeiten.

1. Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens

Zunächst gilt der Grundsatz, dass das Kostenfestsetzungsverfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Beteiligten gem. § 240 ZPO unterbrochen wird (BGH AGS 2006, 44 = RVGreport 2005, 393 [Hansens]; OLG Brandenburg JurBüro 2007, 147). Dies gilt auch dann, wenn die Kostengrundentscheidung rechtskräftig ist (KG KGR Berlin 2008, 124 = FamRZ 2008, 1203; BGH AGS 2013, 36 = RVGreport 2012, 309 [Hansens]). Folglich kann bis zur Wiederaufnahme des Verfahrens oder bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens (s. § 240 S. 1 ZPO) ein Kostenfestsetzungsbeschluss nicht ergehen. Dies gilt auch dann, wenn die Unterbrechung in einem späteren Rechtszug erfolgt und die Kosten für die Vorinstanzen festgesetzt werden sollen (BGH AGS 2006, 44 = RVGreport 2005, 393 [Hansens]).

Ergeht gleichwohl trotz...

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