§ 35 InsO; § 58 Abs. 2 GKG; § 28 Abs. 1 S. 1 RVG
Leitsatz
- Die Festsetzung des Gegenstandswertes für die Gebühren eines vom Schuldner beauftragten Rechtsanwaltes richtet sich auch dann nach dem Wert der Insolvenzmasse, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Gläubiger gestellt worden war und dieser den Antrag noch vor der Entscheidung über die Eröffnung zurückgenommen hat.
- § 58 Abs. 2 GKG findet insoweit grundsätzlich keine Anwendung.
KG, Beschl. v. 7.11.2023 – 20 W 31/23
I. Sachverhalt
Ein Insolvenzverfahren wurde auf Fremdantrag hin eingeleitet. Noch vor Eröffnung hat der Antragsteller den Antrag zurückgenommen. Die Kosten wurden in Konsequenz dann dem Schuldner auferlegt. Streitbar war, ob sich die Berechnungsgrundlage des anwaltlichen Vertreters auf die Höhe der Gläubigerforderung des antragstellenden Gläubigers beschränkt oder ob entgegen § 58 Abs. 2 GKG die Insolvenzmasse insgesamt der Bemessung zugrunde zu legen ist. Das Kammergericht gab der Ansicht recht, wonach sich der Gegenstandswert nicht beschränkt.
II. Gegenstandswert § 28 RVG – Unterschied Gläubiger- und Schuldner-Vertreter
Das KG stellt klar, dass die Festsetzung des Gegenstandswerts nach § 28 RVG zu erfolgen hat. Gem. § 28 Abs. 1 S. 1 RVG richtet sich der Gegenstandswert für Gebühren der Nrn. 3313 und 3317 VV sowie im Fall der Beschwerde gegen den Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Fall eines vom Schuldner beauftragten Rechtsanwaltes "nach dem Wert der Insolvenzmasse", wobei in einem Klammerzusatz die Bestimmung des § 58 GKG genannt wird. Etwas anderes – so das KG – gelte nur dann, wenn vom (Insolvenz-)Gläubiger der Rechtsanwalt beauftragt wurde. Hier bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Nennwert der jeweils geltend gemachten Forderung einschließlich der Nebenforderungen, § 28 Abs. 2 RVG.
III. Gegenstandswert beim Schuldnervertreter
Wird ein Verfahrensbevollmächtigter vom Schuldner bei Antragstellung beauftragt, richtet sich der Wert somit gem. § 28 Abs. 1 S. 1 RVG grds. nach dem "Wert der Insolvenzmasse". Mit dieser Formulierung hat sich der Gesetzgeber an der in § 58 GKG verwandten wortgleichen Begrifflichkeit orientiert, was sich ohne Zweifel aus dem im Gesetzestext aufgenommenen Klammerzusatz "(§ 58 Gerichtskostengesetz)" ergibt.
IV. Praktischer Streit
In der Praxis besteht – so das KG – ein Meinungsstreit darüber, ob die Bestimmung aufgrund des Wortlautes "Wert der Insolvenzmasse" allein auf § 58 Abs. 1 GKG verweist (nur hier finden sich Vorgaben zur weiteren Berechnung des sich sonst aus § 35 InsO ergebenden Begriffes der Insolvenzmasse), obgleich der genannte Paragraf in § 28 Abs. 1 S. 1 RVG insgesamt benannt wird (so OLG Saarbrücken, Beschl. v. 30.10.2014 – 5 W 46/14, AGS 2015, 423; Mayer, FD-RVG 2014, 354336; BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, 61. Ed., Stand: 1.9.2023, § 28 Rn 3.2; Toussaint/Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., 2023, § 28 RVG Rn 3; Riedel/Sußbauer/Potthoff, RVG, 10. Aufl., 2015, § 28 Rn 13; Frege/Keller/Riedel, Handbuch Insolvenzrecht, Teil 9. Vergütung im Insolvenzverfahren und Kosten des Insolvenzverfahrens Rn 200; AnwK-RVG/Mock, § 28 Rn 6 ff.), oder aber – trotz der gewählten Formulierung "Wert der Insolvenzmasse" – auch auf die in § 58 Abs. 2 GKG enthaltene, für die Berechnung der Gerichtskosten geltende Begrenzung dieses Wertansatzes, sofern der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Gläubiger gestellt wird. In diesem Fall würden sich die Gebühren der Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners lediglich nach dem Nennbetrag der jeweiligen Gläubigerforderung richten, jedenfalls solange, wie der Wert der Insolvenzmasse dahinter nicht zurückbleibt (diese Auffassung vertreten: OLG Dresden, Beschl. v. 14.9.1994 – 3 W 315/93; LG Ulm, Beschl. v. 5.6.2013 – 3 T 158/11, BeckRS 2013, 22124; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 26. Aufl., 2023, § 28 Rn 5; NK-GK/Hoppe, 3. Aufl., 2021, § 28 RVG Rn 4; offengelassen von BGH, Beschl. v. 10.3.2011 – IX ZB 104/09, AGS 2011, 566 und KG NJOZ 2013, 1617). Konkret geht es folglich um die Frage, ob es, wie im Bereich der Gerichtskosten auch, für die anwaltliche Vergütung von Bedeutung ist, durch wen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden ist.
V. Keine Begrenzung des Streitwertes auch bei Fremdantrag
Das KG ist der Ansicht, dass sich die Gebühren der den Schuldner vertretenden Rechtsanwälte ausschließlich nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, d.h. ohne Rücksicht darauf, durch wen das Insolvenzeröffnungsverfahren angestrengt worden war (so schon OLG Saarbrücken Beschl. v. 30.10.2014 – 5 W 46/14, Rn 19 ff., AGS 2015, 423). Der Gesetzgeber habe sich bei der Wertberechnung mit dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 S. 1 RVG festgelegt. Danach richtet sich die Berechnung der Vergütung im Mandatsverhältnis des Schuldners ausdrücklich nach dem "Wert der Insolvenzmasse", dessen Berechnung wiederum in Bezug auf die Gerichtskosten in § 58 Abs. 1 GKG geregelt ist, soweit sich der Begriff der Insolvenzmasse selbst nicht schon aus § 35 InsO ergibt. Die Bestimmung des § 58 Abs. 2 GKG knüpft dagegen nur insoweit an den "Wert der Insolvenzmasse" an, als dass in den Fällen, in denen der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Gläubiger gestellt wor...