1. Wegen der Bedeutung der Entscheidung ist zunächst hinzuweisen auf die Anmerkungen zum OLG-Beschl. v. 9.8.2022 (AGS 2022, 405). Diese gelten auch hier. Besonders anzumerken ist aber noch einmal, dass § 51 RVG für die Gewährung einer Pauschgebühr nicht, wovon aber das OLG erneut ausgehet, kein "exorbitantes Verfahren" voraussetzt. Dieser falsche – aus der Rspr. des BGH – stammende Ansatz wird leider immer wiederholt, was ihn aber nicht richtig(er) macht (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, § 51 Rn 2 f.). Dasselbe gilt für die vom OLG erneut erwähnte "Schwelle des § 42 Abs. 1 S. 4 RVG". Gemeint ist damit das "Doppelte der Wahlanwaltshöchstgebühr", auf die die Pauschgebühr für den Wahlanwalt nach § 42 RVG beschränkt ist. Diese gilt aber nicht für den Pflichtverteidiger (Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., § 51 Rn 61 m.w.N.).

2. Zusätzlich ist auf folgende Punkte hinzuweisen:

a) Der Beschluss hebt sich wohltuend ab von anderen Beschlüssen, die zu Pauschgebühren in Umfangsverfahren in der letzten Zeit erlassen worden sind.

b) Im Beschl. v. 9.8.2022 (AGS 2022, 405) hatte das OLG noch ausdrücklich ausgeführt, dass es nicht auszuschließen sei, dass der Senat bei der endgültigen Festsetzung einer Pauschgebühr weitere, vom Antragsteller dann vorgetragene individuelle Gesichtspunkte, aber auch neu zutage getretene generell-abstrakte Erwägungen werde miteinfließen lassen müssen. Dieser Änderungs-/Reduzierungsvorbehalt ist im vorliegenden Beschluss nicht mehr enthalten, obwohl es sich auch hier um einen auswärtigen, weiter weg vom Gerichtsort wohnenden Pflichtverteidiger gehandelt hat. Man wird also davon ausgehen können, dass das OLG nun doch wohl nicht nachtäglich Reduzierungen bei seiner Berechnungsweise vornehmen wird.

c) Zu beanstanden ist m.E. aber die lange Dauer des Vorschussverfahrens. Der Antrag des Pflichtverteidigers ist datiert vom 14.9.2022, also zeitnah nach der Entscheidung vom 9.8.2022. Entschieden hat das OLG dann (endlich) am 1.2.2024, also mehr als 15 Monate nach Antragstellung. Bei allem Respekt und Verständnis vor der Arbeitsbelastung des Senats fragt man sich dann aber doch, warum die Entscheidung so lange gebraucht hat. Die Berechnungskriterien waren durch den Beschl. v. 9.8.2022 vorgegeben und mussten nur auf den vorliegenden Fall angewendet werden. Das ist/war weder rechtlich noch tatsächlich schwierig. Die lange Dauer der Bearbeitung mindert den Wert des gewährten Vorschusses erheblich und widerspricht seinem Sinn und Zweck. Man kann Verteidigern bei zu langer/so langer Dauer des Verfahrens beim OLG im Hinblick auf die Verzinsung und/oder Schadensersatzansprüche nur raten, vorsorglich (rechtzeitig) die Verzögerungsrüge nach den §§ 198, 199 GVG zu erheben (zum Entschädigungsanspruch wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Pflichtverteidigervergütung OLG Hamm AGS 2021, 570 = JurBüro 2022, 44; OLG Karlsruhe, AGS 2019, 556 = RVGreport 2019, 279 = StRR 4/2019, 24 = MDR 2019, 99).

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 3/2024, S. 117 - 119

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