1. Ursprünglicher Beiordnungsantrag erledigt

Das LG führt aus: Der beschiedene Antrag vom 5.5.2023 habe sich durch die Verbindung der Sache Az_2 mit dem Ermittlungsverfahren Az_2 erledigt. Einer ausdrücklichen Rücknahme habe es nicht bedurft. Die Beschuldigte habe durch die Formulierung ihres Antrags in dem Schriftsatz vom 29.9.2023 hinreichend deutlich gemacht, dass sie nicht länger eine Entscheidung über ihren ursprünglichen Antrag begehrte. Sie habe vielmehr einen an die vollzogene Verbindung der beiden Ermittlungsverfahren angepassten Antrag gem. § 48 Abs. 6 RVG gestellt.

2. Erstreckungsantrag noch offen

Das LG hat dem Erstreckungsantrag entsprochen. Gem. § 48 Abs. 6 S. 1 RVG erhalte der beigeordnete Verteidiger die Vergütung auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung. Es sei lange Zeit umstritten gewesen, ob ein anwaltlicher Vergütungsanspruch für frühere Tätigkeiten in Verfahren, die vor der Beiordnung hinzuverbunden wurden, bereits unmittelbar aus § 48 Abs. 6 S. 1 RVG folge oder es hierzu eines Gerichtsbeschlusses gem. § 48 Abs. 6 S. 3 RVG bedurfte (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, § 48 Abs. 6 Rn 23 f. m.w.N.). Mit der zum 1.1.2021 erfolgten Ergänzung von § 48 Abs. 6 S. 3 RVG mit dem KostRÄG vom 21.12.2020 (BGBl 1, 3229) habe der Gesetzgeber nun klargestellt, dass der Anwendungsbereich des § 48 Abs. 6 S. 3 RVG auf die Fälle der nach der Beiordnung oder Bestellung erfolgten Verfahrensverbindungen beschränkt sei. Damit sei zugleich klargestellt, dass die Anordnung einer Erstreckungswirkung bei einer anwaltlichen Beiordnung nach der Verbindung nicht erforderlich ist, weil § 48 Abs. 6 S. 1 StPO unmittelbar gilt (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., § 48 Abs. 6 Rn 24).

So liege der Fall hier. Denn die Beiordnung sei am 15.8.2023 und somit zeitlich nach der Verfahrensverbindung vom 10.8.2023 erfolgt. Aus anwaltlicher Vorsicht sei ein Antrag auf deklaratorische Feststellung der Erstreckung, wie er hier gestellt worden sei, jedoch zulässig, weil auf diese Weise ein etwaiger Streit im Kostenfestsetzungsverfahren um die Notwendigkeit eines Gerichtsbeschlusses vermieden werde.

3. Höhe der Vergütung: Kostenfestsetzungsverfahren

Inwieweit dem Verteidiger eine Vergütung der Höhe nach zustehe, müsse der Prüfung im Kostenfestsetzungsverfahren vorbehalten bleiben. Denn Voraussetzung dafür, dass der Rechtsanwalt neben den Gebühren im führenden Verfahren auch weitere Gebühren für seine Tätigkeiten in dem hinzuverbundenen Verfahren erhalten könne, sei, dass er in dem hinzuverbundenen Verfahren vor der Verbindung tatsächlich tätig geworden ist (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 16.5.2017 – 1 Ws 95/17, StraFo 2017, 391 = AGS 2017, 457).

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