Nr. 4141 VV RVG
Leitsatz
Die Mitteilung des Todes des beschuldigten Mandanten durch den Verteidiger führt nicht zum Anfall der Zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV.
AG Cham, Beschl. v. 23.1.2024 – 2 Ls 506 Js 4996/23
I. Sachverhalt
Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger des (inzwischen verstorbenen) Beschuldigten. Nach Einstellung des Verfahrens nach § 206a StPO wegen des Todes des Mandanten hat der Pflichtverteidiger gegenüber der Staatskasse seine Gebühren geltend gemacht. U.a. hat er auch die Festsetzung einer Zusätzlichen Gebühr Nr. 4141 VV beantragt. Zur Begründung hatte er darauf verwiesen, dass er dem Gericht aktiv mitgeteilt habe, dass der Beschuldigte verstorben sei. Das Gericht habe daraufhin das Verfahren eingestellt, sodass eine tatsächliche Mitwirkung des Verteidigers unbestreitbar sei.
Das AG hat diese Gebühr im Kostenfestsetzungsbeschluss nicht festgesetzt. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel des Pflichtverteidigers hatte keinen Erfolg.
II. Mitteilung vom Tod ist keine Mitwirkung
Das AG hat das Rechtsmittel als unbegründet zurückgewiesen. In Lit. und Rspr. sei umstritten, ob eine Gebühr nach Nr. 4141 VV nach dem Tod eines Mandanten grds. noch anfallen könne. In von dem Verteidiger zitierten Entscheidung des LG Leipzig (Beschl. v. 19.6.2020 – 2 Qs 8/20, StraFo 2020, 395 = AGS 2020, 507 = RVGreport 2020, 389) werde die Ansicht vertreten, dass der Anfall einer solchen Gebühr möglich sei, soweit das Gericht nicht bereits anderweitig von dem Tod des Angeklagten erfahren hat.
Nach Auffassung des AG kann jedoch, unabhängig von dem Vorliegen einer Mitwirkungstätigkeit, eine Gebühr nach Nr. 4141 VV nach dem Tod des Mandanten nicht mehr anfallen. Diese Auffassung werde auch von Stollenwerk, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., 2021, Rn 15) vertreten. Auch das AG Halle (Saale) (Beschl. v. 8.6.2022 – 322 Ds 285 Js 32704/21) sei dieser Auffassung. Das AG Halle (Saale) verweise darauf, dass bereits der Wortlaut der Gebührenvorschrift erkennen lasse, dass es um "Mitwirkung" an der Entbehrlichkeit" einer Hauptverhandlung gehe, also eine gewisse Einflussnahme (nicht Ursächlichkeit!) auf die entsprechenden Entscheidungen von Gericht und Staatsanwaltschaft im Rahmen der Verfahrenseinstellung zumindest möglich erscheine. Im Falle des Todes des Angeklagten ende das Strafverfahren jedoch von sich aus, sodass eine Hauptverhandlung nicht erst entbehrlich werde, sondern gar nicht stattfinden könne. Eine Einflussnahme auf den Ausgang des Verfahrens sei dem Verteidiger gar nicht mehr möglich. Da eine Hauptverhandlung nicht – mehr – stattfinden könne, habe der Verteidiger auch grds. keine Gebühr dafür mehr verdient, deren Verlust durch eine Handlung von ihm durch eine Zusätzliche Gebühr zu kompensieren wäre. Dass das Verfahren gem. § 206a StPO später einzustellen sein wird werde, habe dementsprechend rein deklaratorische Bedeutung, ohne dass damit eine weitere Rechtswirkung eintrete, außer dass ggf. Nebenentscheidungen plausibel werden, wie etwa eine Kostenentscheidung. Mit dem Tod des Mandanten ende i.Ü. bereits die Verteidigung, sodass Handlungen nach dem Tod des Angeklagten keine – zusätzlichen – Gebühren auslösen können. Lediglich über die bereits entstandenen Gebühren wären ggf. noch Entscheidungen zu treffen. Auch in einer Entscheidung des AG Kelheim v. 16.8.2022 (6 Ds 408 Js 26519/21, n.v.) sei diese Ansicht mit ähnlicher Begründung vertreten worden.
III. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist m.E. unzutreffend.
1. Vorab: Bemerkenswert ist, wie das AG mit einem Hinweis auf zwei weitere AG-Entscheidungen und die Literaturstimme von Stollenwerk (a.a.O.) die entgegenstehende Rspr. verschiedener LG und eines AG (LG Leipzig StraFo 2020, 395 = RVGreport 2020, 389; LG Potsdam JurBüro 2013, 586 = RVGreport 2014, 71 = Rpfleger 2013, 648; AG Magdeburg Rpfleger 2000, 154) und anderer Stimmen in der Lit. (AnwK-RVG/N. Schneider, 9. Aufl., 2021, VV 4141 Rn 23; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 26. Aufl., 2023, VV 4141 Rn 7; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldverfahren, 6. Aufl., 2021, Nr. 4141 VV Rn 14; Mayer/Kroiß/Kori, RVG, 8. Aufl., 2021, Nrn. 4141–4107 VV Rn 4) abtut. Diese werden noch nicht einmal erwähnt, wenn man mal von dem pauschalen Hinweis in "Literatur und Rspr. ist umstritten" absieht.
2. M.E. ist die Argumentation des AG auch nicht zutreffend und zudem widersprüchlich. Entscheidend für das Entstehen der Zusätzlichen Gebühr des Verteidigers ist ein Beitrag – Mitwirkung – an der Einstellung des Verfahrens. Das reicht, wobei die Qualität der Mitwirkung ohne Belang ist. Auch die Ursächlichkeit der Mitwirkung spielt keine Rolle. Das führt das AG insoweit zutreffend zwar aus, stellt dann aber wieder auf "Einflussnahme" ab. Was ist aber "Einflussnahme" anderes als Ursächlichkeit? Hier argumentiert das AG also widersprüchlich. Ohne Belang ist m.E. für die Frage des Entstehens der Gebühr Nr. 4141 VV auch, ob das Verfahren ggf. auch ohne Mitwirkung des Verteidigers hätte eingestellt werden, also beendet, werden müssen. Auch insoweit stellt das AG im Grunde dann doch wieder auf "Ursächlich...