I. Anrechnung bei unterschiedlich hohen Gegenstandswerten

Nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV ist die Geschäftsgebühr hälftig, höchstens zu 0,75 auf die Gebühr eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens anzurechnen.

Nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV erfolgt die Anrechnung nach dem Wert des Gegenstands, der in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist. Mit anderen Worten: Eine Anrechnung findet nur insoweit statt, als die Gegenstände von außergerichtlicher und gerichtlicher Vertretung identisch sind.

Fehlt es an einer vollen Identität, ist bei der Berechnung des anzurechnenden Betrages achtzugeben. Dabei kann der Wert der vorgerichtlichen Tätigkeit höher gewesen sein als der des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens. Ebenso ist auch möglich, dass der Wert der vorgerichtlichen Tätigkeit niedriger ist als der Wert der nachfolgenden Tätigkeit. Möglich ist auch, dass zwar die Werte von außergerichtlicher und gerichtlicher Tätigkeit gleich sind, aber unterschiedliche Gegenstände zugrunde liegen.

In allen Fällen gilt, dass die Geschäftsgebühr nur nach demjenigen Wert angerechnet werden darf, der in das gerichtliche Verfahren übergeht.

 

Beispiel 1

Nachfolgende Gebühr hat einen höheren Gegenstandswert

Der Anwalt macht außergerichtlich für den Auftraggeber eine Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR geltend. Die Sache ist äußerst umfangreich und schwierig (2,0). Der Schuldner zahlt nicht. Der Anwalt erhebt daraufhin auftragsgemäß Klage. Der Beklage erhebt Widerklage in Höhe von 4.000,00 EUR. Über Klage und Widerklage wird verhandelt.

Außergerichtlich gilt ein Wert i.H.v. 8.000,00 EUR. Im gerichtlichen Verfahren beläuft sich der Wert auf 12.000,00 EUR, da die Werte von Klage und Widerklage zusammengerechnet werden (§ 39 Abs. 1 GKG).

Richtet sich die nachfolgende Verfahrensgebühr nach einem höheren Gegenstandswert als die anzurechnende Geschäftsgebühr, wird die Geschäftsgebühr aus ihrem Wert hälftig angerechnet. Insoweit ergeben sich keine Besonderheiten.

 

I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 8.000,00 EUR)

 
1. 2,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   824,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 844,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   160,36 EUR
  Gesamt   1.004,36 EUR

II. Gerichtliches Verfahren (Wert: 12.000,00 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   683,80 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV anzurechnen, 0,75 aus 8.000,00 EUR   – 309,00 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   631,20 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.026,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   194,94 EUR
  Gesamt   1.220,94 EUR
 

Beispiel 2

Nachfolgende Gebühr hat einen geringeren Gegenstandswert

Der Anwalt macht außergerichtlich für den Auftraggeber eine Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR geltend. Der Schuldner zahlt 4.000,00 EUR. Im Übrigen scheitern die außergerichtlichen Verhandlungen. Die Tätigkeit war umfangreich, aber durchschnittlich (1,5). Der Anwalt erhebt daraufhin auftragsgemäß Klage in Höhe von lediglich 4.000,00 EUR, über die verhandelt wird.

Jetzt gilt für die außergerichtliche Vertretung ein Wert in Höhe von 8.000,00 EUR, für die gerichtliche Vertretung dagegen nur in Höhe von 4.000,00 EUR.

Richtet sich die nachfolgende Verfahrensgebühr nach einem geringeren Gegenstandswert als die anzurechnende Geschäftsgebühr, wird die Geschäftsgebühr nur insoweit hälftig angerechnet als sie aus dem geringeren Gegenstandswert des gerichtlichen Verfahrens angefallen wäre, hier also nur, soweit sie aus dem Wert von 4.000,00 EUR entstanden wäre.

 

I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 8.000,00 EUR)

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   618,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 638,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   121,22 EUR
  Gesamt   759,22 EUR

II. Gerichtliches Verfahren, (Wert: 4.000,00 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   318,50 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, 0,75 aus 4.000,00 EUR   – 183,75 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   294,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 448,75 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   85,26 EUR
  Gesamt   534,01 EUR
 

Beispiel 3

Nachfolgendes Verfahren nur wegen eines Teilbetrages, Verhandlungen über Gesamtbetrag

Der Anwalt macht außergerichtlich für den Auftraggeber eine Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR geltend. Die außergerichtlichen Verhandlungen scheitern. Der Anwalt erhebt daraufhin auftragsgemäß Klage in Höhe von lediglich 4.000,00 EUR. Im Termin verhandeln die Parteien auch über die weiteren 4.000,00 EUR. Eine Einigung kommt jedoch nicht zustande.

Die Werte von außergerichtlicher Tätigkeit und Rechtsstreit sind identisch. Vorgerichtlich war der Anwalt mit einer Forderung i.H.v. 8.000,00 EUR befasst, im gerichtlichen Verfahren ebenfalls. Zwar sind nur 4.000,00 EUR eingeklagt worden; die nicht anhängigen 4.000,00 EUR sind jedoch durch die Verhandlungen in den Rechtsstreit mit einbezogen worden und haben damit den Wert des gerichtlichen Verfahrens erhöh...

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