RVG VV Vorbem. 3 Abs. 4, Nr. 3100
Leitsatz
Mündet die vorprozessuale Tätigkeit für mehrere Auftraggeber wegen verschiedener Gegenstände in einen einheitlichen Prozess wegen sämtlicher Gegenstände, hat die Anrechnung der Geschäftsgebühr ausschließlich aus dem Wert des Gegenstandes des gerichtlichen Verfahrens zu erfolgen.
OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.2008–14 W 590/08
1 Sachverhalt
Die beiden Kläger wurden vorprozessual von demselben Anwalt vertreten, der sich später auch als Prozessbevollmächtigter bestellte.
Der Kläger zu 1) machte vorprozessual gegen den Beklagten zu 1) 71.955,01 EUR geltend. Vom Beklagten zu 2) verlangte der Kläger zu 2) vorprozessual 162.759,73 EUR. Letztlich begehrte der Kläger zu 2) vom Beklagten zu 3) vorprozessual 67.342,51 EUR.
Bei der späteren Bezifferung im Klageverfahren berücksichtigte der Kläger zu 1) eine vorprozessuale Zahlung des Beklagten zu 1) von 9.514,49 EUR. Der Kläger zu 2) zog eine vorprozessuale Zahlung des Beklagten zu 2) von 81.698,71 EUR ab. Ebenso zugunsten des Beklagten zu 3) dessen Zahlung von 16.431,99 EUR. Dementsprechend setzte das Gericht den Streitwert auf 194.413,00 EUR fest.
Gegen den Beklagten zu 1) machte der Kläger zu 1) außerdem als Nebenforderung aus dem ursprünglichen Wert vor der Teilzahlung eine 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV geltend. Entsprechende Geschäftsgebühren verlangte auch der Kläger zu 2) von den Beklagten zu 2) und 3).
Dementsprechend erging ein Anerkenntnisurteil, das die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
Die Kläger haben unter anderem die Festsetzung einer 1,6-Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von 194.413,00 EUR beantragt (Nrn. 3100, 1008 VV), allerdings im Hinblick auf die vorprozessuale Tätigkeit eine 0,75 Gebühr aus demselben Wert in Abzug gebracht (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 RVG). Diesem Antrag hat die Rechtspflegerin entsprochen.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde vertreten die Beklagten die Ansicht, alle drei Geschäftsgebühren für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung hätten auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden müssen. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Nach der Rspr. des BGH (vgl. zuletzt in AGS 2008, 377) bedeutet die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 VV, dass sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV verringert. Über diesen Ausgangspunkt der angefochtenen Entscheidung besteht kein Streit.
Wie die Anrechnung zu erfolgen hat, wenn keine hundertprozentige Identität zwischen der vorgerichtlichen und der späteren Tätigkeit des Anwalts im Prozess besteht, regelt Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV. Die Anrechnung erfolgt nach dem Wert des Gegenstandes, der auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist. Derart hat die Rechtspflegerin die festzusetzende Verfahrensgebühr hier berechnet.
Dass dies zutrifft, ergibt sich auch aus folgenden Kontrollüberlegungen:
a) Würde die Anrechnung wie von den Beklagten gewünscht vorgenommen, erhielte der Anwalt der Kläger für die Vertretung im Prozess keinerlei Verfahrensgebühr; vielmehr bestünde im rechnerischen Endergebnis sogar ein negativer Saldo zu Lasten der Kläger.
b) Die Kläger waren nicht gehindert, jeden der drei Ansprüche in gesonderten Prozessen geltend zu machen. Nur in diesem Fall wäre jede der dort entstandenen Verfahrensgebühren durch anteilige Anrechnung der jeweiligen Geschäftsgebühr verringert.
Das belegt, dass die sofortige Beschwerde die vorliegende Fallkonstellation gebührenrechtlich so behandelt wissen möchte, als hätten die Kläger drei getrennte Prozesse angestrengt. Dabei übersehen die Beklagten jedoch, dass in jedem der drei Prozesse auch jeweils gesonderte Verfahrensgebühren entstanden und von den Beklagten zu erstatten wären. Es ist nicht zulässig, einerseits die Ersparnis zu akzeptieren, die bei der Verfahrensgebühr dadurch eintrat, dass die Kläger sich entschlossen, alle Ansprüche in einer Klage zu verbinden, andererseits jedoch eine Anrechnung aller Geschäftsgebühren zu verlangen, wie sie nur bei getrennten Prozessen möglich ist (vgl. zum Ganzen Tomson, NJW 2007, 267 ff.).
Mitgeteilt von RiOLG Ernst Weller, Koblenz
3 Anmerkung
1. Im Fall des OLG Koblenz hatte der Anwalt der Kläger vorgerichtlich folgende Vergütungen abgerechnet:
I. Kläger zu 1) gegen Beklagten zu 1) – Gegenstandswert: 71.955,01 EUR
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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1.560,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.580,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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300,20 EUR |
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Gesamt |
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1.880,20 EUR |
II. Kläger zu 2) gegen Beklagten zu 2) – Gegenstandswert: 62.759,73 EUR
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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1.459,90 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.479,90 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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281,18 EUR |
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Gesamt |
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1.716,08 EUR |
III. Kläger zu 2) gegen Beklagten zu 3) – Gegenstandswert: 67.342,51 EUR
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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1.560,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.580,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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300,20 EUR |
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Gesamt |
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1.880,20 EUR |
Im nachfolgenden Rechtstreit ergab...