RVG VV Nr. 2300; RVG § 34
Leitsatz
Wird der Anwalt beauftragt, eine Unterhaltsurkunde zu überprüfen, so löst dies eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV aus und nicht lediglich eine Beratungsgebühr.
AG Lörrach, Urt. v. 17.6.2008–1 C 546/08
1 Aus den Gründen
Dem Kläger steht kein Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten zu. Der gezahlte Kostenvorschuss ist durch die entstandenen Gebühren vollständig aufgebraucht.
Der Kläger ist nach §§ 675, 611 BGB verpflichtet, dem Beklagten ein Honorar zu zahlen. Dieses ist mit 758,75 EUR zutreffend berechnet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV.
Unstreitig wurde der Beklagte beauftragt und keine Vergütungsvereinbarung getroffen. Geschuldet ist also die übliche Vergütung i.S.d. § 612 Abs. 2 BGB.
Das ist vorliegend eine 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV aus dem unstreitigen Streitwert von 55.390,16 EUR. Das sind 1.459.90 EUR zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer.
Soweit der Kläger diese nur in Höhe einer ehemaligen Beratungsgebühr geltend macht, folgt daraus nicht, dass die Geschäftsgebühr nicht entstanden ist.
Das Honorar ist nicht lediglich als Beratungsgebühr nach § 34 RVG zu berechnen, die der Höhe nach auf 190,00 EUR bzw. 250,00 EUR beschränkt ist.
§ 34 RVG findet keine Anwendung, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Voraussetzung ist, dass der Beklagte lediglich einen Rat oder eine Auskunft erteilt hat. Lediglich in diesem Fall besteht die Gebührenbeschränkung nach § 34 Abs. 1 S. 3 RVG. Die Abgrenzung zwischen reiner Ratsgebühr (§ 34 RVG) und Geschäftsgebühr ist schwierig (Gerold/Schmidt/Madert, RVG, § 34 Rn 10, 11).
Jedenfalls kommt es nicht darauf an, ob der Rechtsanwalt nach außen tätig wird. Entscheidend ist, ob der Auftrag nach Art und Umfang der Tätigkeit über eine Ratserteilung hinausgeht (AG Augsburg – 11 C 5464/98).
Dem ist hier so. Bereits die Prüfung der notariellen Urkunde ist ein Indiz dafür. Allerdings ist in der Rspr. umstritten, ob die Prüfung eine Tätigkeit ist, die über den Rahmen einer Beratung nach § 34 RVG hinausgeht (s. z.B. AG Hamburg-Altona – 316 C 87/07 m. w. Nachw.).
Spätestens aber mit der vom Kläger in Auftrag gegebenen Unterhaltsberechnung wird der Rahmen der Beratung verlassen und es entsteht eine Geschäftsgebühr. Der Kläger hat selbst vorgetragen, den Unterhalt berechnen lassen zu wollen.
Der Beklagte hat auch nicht eingeräumt, dass der Umfang seiner Tätigkeit lediglich eine Beratungsgebühr rechtfertigt. Die Abrechnung auf Basis der ehemaligen Nr. 2100 VV kann nicht in diesem Sinne verstanden werden. Der Beklagte hat betont, dass es sich um ein Entgegenkommen seinerseits handelt.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Klaus Winkler, Kenzingen
2 Anmerkung
Die Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht unrichtig und bedenklich:
1. Das dem Rechtsstreit zugrunde liegende Mandat wurde im Mai 2007 erteilt.
2. Die Überprüfung der Unterhaltsurkunde ist – ausweislich der dürren Sachverhaltsdarstellung im Urteil – eine Beratung; es wurde ersichtlich auch nur ein Beratungsmandat erteilt, wie sich aus der vom beklagten Rechtsanwalt selber in seiner Abrechnung angewendeten Nr. 2100 VV a.F. ergibt.
3. Mangels Vereinbarung ist eine Abrechnung nach Nr. 2100 VV a.F. in nach dem 30.6.2006 erteilten Mandaten nicht mehr zulässig, die Abrechnung muss dann nach § 34 RVG erfolgen. Die Höchstgebühr gem. § 34 RVG gegenüber einem Verbraucher beläuft sich ohne Vereinbarung auf maximal 250,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer. Diesen Betrag hat der Kläger gezahlt und den überschießenden Vorschussbetrag zurückgefordert.
4. a) Eine Abrechnung gem. § 34 RVG führt nicht zwingend gem. § 14 Abs. 2 RVG zu einer Begutachtung durch den Vorstand der zuständigen Rechtsanwaltskammer, denn § 34 RVG verweist nur auf § 14 Abs. 1 RVG, nicht aber auf § 14 RVG insgesamt; eine Beauftragung der Rechtsanwaltskammer zur Gutachtenserstellung ist höchstens angebracht, sie wäre auch gerade unter den vorliegenden Umständen nicht notwendig gewesen, da mit 250,00 EUR netto die Höchstgebühr vom Mandanten zugestanden war. Wäre eine vereinbarte Vergütung abgerechnet und streitig gewesen, so wäre ein Gutachten gem. § 4 Abs. 4 RVG a.F. einzuholen gewesen.
b) Bei einer Abrechnung der Tätigkeit auf der Basis von Nr. 2100 VV a.F. ist zwingend das Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, da Nr. 2100 VV a.F. eine Rahmengebühr i.S.v. § 14 RVG war. Die Nichteinholung eines Gutachtens ist in diesem Falle ein grober Verfahrensfehler.
5. Rechnet der Rechtsanwalt eine Beratung ab, dann kann das Gericht – entgegen dem dem Unterzeichner bekannten Sachvortrag beider Parteien – nicht eine Geschäftstätigkeit annehmen, zumal die dürre Sachverhaltsschilderung auch keine Anhaltspunkte für eine Geschäftstätigkeit ergibt und ersichtlich keine Mandatierung für ein Tätigwerden "nach außen" erfolgte.
Wenn man aber mit dem AG Lörrach den Anfall einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV annimmt, dann hätte zwingend gem. § 14 Abs. 2 RVG ein Gutachten bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer eingeholt werden müssen; die N...