Wird eine Sache vom Rechtsmittelgericht an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen, löst dies immer nach § 21 Abs. 1 RVG eine neue Angelegenheit aus. Die Gebühren entstehen erneut. Soweit allerdings das Empfangsgericht mit der Sache bereits befasst war, gilt in Verfahren nach Teil 3 VV die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 6 VV. Danach ist die Verfahrensgebühr des Verfahrens vor Zurückverweisung auf die Verfahrensgebühr nach Zurückverweisung anzurechnen.

War das Empfangsgericht allerdings mit der Sache noch nicht befasst, greift die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 6 VV nicht. In diesem Fall entstehen die Verfahrensgebühren des Verfahrens vor und nach Zurückverweisung anrechnungsfrei.

Der Anwendungsbereich dieser Variante ist sehr gering, da eine Zurückverweisung grundsätzlich nur an denselben Spruchkörper möglich ist, der auch vorinstanzlich entschieden hat. Die Verfahrensordnungen kennen jedoch Ausnahmen, wonach auch an ein mit der Sache noch nicht befasstes Gericht oder an einen anderen Spruchkörper des vorinstanzlichen Gerichts zurückverwiesen werden kann. In diesen Fällen zählt das andere Gericht oder die andere Kammer noch zum prozessualen Instanzenzug.

Von § 21 Abs. 1 RVG in dieser Variante werden zum einen diejenigen Fälle erfasst, in denen die jeweilige Verfahrensordnung die Zurückverweisung an ein anderes Gericht als das, das vorinstanzlich entschieden hat, zulässt, z.B. nach §§ 354 Abs. 2, 354 a StPO.

 
Praxis-Beispiel

Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des LG Gießen verweist der BGH die Sache nach § 354 Abs. 2, 2. Alt. StPO an das LG Frankfurt zurück.

Es gilt § 21 Abs. 1 RVG, da § 354 Abs. 2 StPO den Rechtszug erweitert. Wäre dagegen nach § 355 StPO (absoluter Revisionsgrund) wegen örtlicher Unzuständigkeit des LG Gießen die Sache an das LG Frankfurt zurückverwiesen worden, würden sich die weiteren Gebühren nach § 20 S. 2 RVG richten, da dann der Instanzenzug gewechselt hätte.

Die Gebühren richten sich auch dann nach § 21 Abs. 1 RVG, wenn nach der Verfahrensordnung an eine andere Kammer derselben Gerichtsbehörde zurückverwiesen werden kann (§ 354 Abs. 2, 1. Alt. StPO; § 563 Abs. 1 S. 2 ZPO).

 
Praxis-Beispiel

Auf die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Köln verweist der BGH gem. § 563 Abs. 1 S. 2 ZPO die Sache an den 17. Zivilsenat des OLG Köln zurück.

Auch hier wechselt der prozessuale Instanzenzug nicht, da gem. § 563 Abs. 1 S. 2 ZPO auch der weitere Senat zum prozessualen Rechtszug zählt.

Dagegen will die Rspr. § 21 Abs. 1 RVG (früher: § 15 Abs. 1 S. 2 BRAGO) weder dann anwenden, wenn aufgrund des zwischenzeitlich geänderten Geschäftsverteilungsplans eine andere Kammer oder Abteilung oder ein anderer Senat zuständig geworden ist,[1] noch dann, wenn das Rechtsmittelgericht ausdrücklich anordnet, dass an einen anderen Senat, eine andere Kammer oder andere Abteilung desselben Gerichts zurückverwiesen wird.[2] Begründet wird dies damit, dass unter "Gericht" i.S.d. § 21 RVG das Gericht als Justizbehörde zu verstehen sei und nicht als Spruchkörper. Diese Auslegung ist bedenklich, weil sie nach Vorbem. 3 Abs. 6 VV zu einer Anrechnung der Verfahrensgebühr führt.[3] Die Verfahrensgebühr ist aber der Ausgleich für die Mehrarbeit des Anwalts, die ihm dadurch entsteht, dass das Gericht mit dem Prozessstoff nicht vertraut ist und der Anwalt daher mehr Mühe aufbringen muss, ihm den Prozessstoff nahe zu bringen. Dies wiederum spricht dafür, § 21 Abs. 1 RVG auch dann anzuwenden, wenn nach Zurückverweisung ein anderer Spruchkörper derselben Gerichtsbehörde zuständig ist.[4]

[1] FG Berlin EFG 1983, 42 = KostRsp. BRAGO § 15 Nr. 42; OLG Hamm OLGR 1995, 12.
[2] OLG Frankfurt JurBüro 1975, 473.
[3] Siehe hierzu Lappe, in: Anm. zu KostRsp. BRAGO § 15 Nr. 30, der diese Rspr. sogar für verfassungswidrig hält.
[4] Lappe, in: Anm. zu KostRsp. BRAGO § 15 Nr. 30.

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