ZPO §§ 114 ff.
Leitsatz
Auch im vereinfachten Verfahren auf Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger ist in der Regel im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung ein Anwalt beizuordnen.
OLG Koblenz, Beschl. v. 21.7.2009–11 WF 595/09
Aus den Gründen
Im sogenannten vereinfachten Verfahren ist in der Regel im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung auch ein Anwalt beizuordnen (vgl. Zöller, 27. Aufl., Rn 1 zu § 646 ZPO mit weiteren Zitaten). Es wird insbesondere auf den Leitsatz des OLG Naumburg FamRZ 2002, 892 und die Entscheidung OLG Schleswig MDR 2007, 736 [= AGS 2007, 585] Bezug genommen. Das OLG Schleswig hat insbesondere auch darauf hingewiesen, dass in dem vom Antragsgegner auszufüllenden Fragebogen betreffend die Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt mehrfach der Hinweis enthalten ist, der Unterhaltsschuldner solle die Antworten besser nicht nach eigenem Gutdünken geben, sondern die Hilfe rechtlich geschulter Personen oder Institutionen in Anspruch nehmen. Am Ende des Vordrucks wird auch noch gefragt, von welchem Rechtsanwalt oder welcher Rechtsanwältin der Antragsgegner beraten wurde. Das OLG Schleswig hat zu Recht ausgeführt, dass schon damit dem Unterhaltsschuldner der Schluss nahegelegt wird, üblicherweise sei auch im vereinfachten Verfahren ein Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Das amtliche Formular ist dermaßen unübersichtlich und für einen Laien schwer zu verstehen, dass auch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts dringend geboten erscheint. Möglicherweise wird von vielen Unterhaltsschuldnern der Einwand mangelnder Leistungsfähigkeit nicht schon mit Hilfe dieses Formulars, sondern erst nach Erlass des Beschlusses verspätet erhoben, weil sie vor der Unübersichtlichkeit des Formulars kapitulieren.
Anmerkung
Der Beschluss ist begrüßenswert praxisnah und erstaunlich menschlich formuliert. Sein Inhalt legt den Schluss nahe, dass die amtlichen Vordrucke im Zusammenhang mit der Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger im vereinfachten Verfahren nicht nur für den juristischen Laien schwer verständlich sind, vielmehr auch Senate wegen der "Unübersichtlichkeit des Formulars kapitulieren" und deshalb in der Regel in diesen Verfahren auch ein Anwalt beizuordnen sei.
Nach dem Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes dürfte sich die Frage einer Anwaltsbeiordnung zumindest auf den ersten Blick nicht mehr stellen. Das Verfahren auf Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger ist Unterhaltssache nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG und Familienstreitsache nach § 112 Nr. 1 FamFG. Nach § 114 Abs. 1 FamFG müssen sich die Beteiligten in selbstständigen Familienstreitsachen grundsätzlich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Seit dem 1.9.2009 besteht in den in § 231 Abs. 1 FamFG geregelten Unterhaltssachen Anwaltszwang, es sei denn, es liegt eine Ausnahme nach § 114 Abs. 4 FamFG vor. In Betracht kommt eine Ausnahme nach § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG. Zwar ist das vereinfachte Verfahren auf Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger dort nicht ausdrücklich genannt, könnte aber in den Regelungsgehalt des § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG fallen. Danach bedarf es der Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht (§ 78 Abs. 3 ZPO), wenn die Verfahrenshandlungen auch vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden dürfen. Erfasst ist danach das vereinfachte Verfahren auf Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger, da gemäß § 257 FamFG Anträge und Erklärungen vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden können. Nichtsdestotrotz kommen die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe im vereinfachten Festsetzungsverfahren und die Beiordnung eines Rechtsanwalts weiterhin in Betracht. Die Bewilligung und die Beiordnung richten sich nach § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG i.V.m. den §§ 114 ff. ZPO. Solange die amtlichen Vordrucke in ihrer jetzigen Fassung Grundlage für die Unterhaltsfestetzung bleiben, wird jedenfalls das OLG Koblenz auch weiterhin die Beiordnung eines Rechtsanwalts als erforderlich ansehen, weil dies bereits zum sachgerechten Verständnis der Vordrucke unabdingbar ist.