Es ist noch nicht vorbei! Oder: Vier Schwalben machen noch keinen Sommer
"Wir haben verstanden!" lautete eine recht erfolgreiche Werbekampagne eines Autokonzerns.
"Wir haben verstanden" kann als eine Art übergeordneter Leitsatz den nunmehr vier erfreulichen Entscheidungen dreier unterschiedlicher Senate des BGH vorangestellt werden, die allesamt mit überzeugender Begründung die Anwendbarkeit von § 15a RVG auch auf die sog. Altfälle festschreiben.
Besonders erfreulich ist es sicherlich, dass der IX. Senat in der jüngsten Entscheidung vom 11.3.2010 eine Entscheidung des großen Senats für Zivilsachen als entbehrlich erklärt, da die Abweichung von der Rspr. des VIII. Senats lediglich die Folge einer gesetzlichen Klärung sei.
Damit steht es gewissermaßen unter den Senaten des BGH 4:1, pardon 4:0,5 (der X. Senat hat sich lediglich in einem obiter dictum geäußert), so dass man nicht nur als Fußballfreund sagen könnte: "Die Sache ist gelaufen", oder seriöser: "Karlsruhe locuta, causa finita."
Wirklich? Das Problem Altfälle mag durch die deutlichen Worte der Senate des BGH geklärt sein, der Elchtest für Gerichte ist allerdings mit Sicherheit noch nicht erfolgreich bestanden. So gibt es Rechtspfleger, die plötzlich ernsthaft in Frage stellen wollen, dass § 15a RVG natürlich auch im Verhältnis zur Staatskasse zur Anwendung kommt, indem sie feinsinnig zwischen Vergütungsschuldner und Kostenerstattungsschuldner unterscheiden wollen.
Tatsächlich ist natürlich sowohl § 58 RVG als auch den Änderungen von § 55 RVG zu entnehmen, dass eine Gebührenanrechnung im Verhältnis zur Staatskasse dann nicht zu berücksichtigen ist, wenn der Rechtsanwalt eben keine Zahlungen auf die außergerichtliche Geschäftsgebühr erhalten hat.
Vermeintlich ungeklärt geblieben ist auch der überflüssige Streit darüber, ob Zahlungen des Mandanten gem. § 58 Abs. 2 RVG auf den Differenzbetrag zwischen Wahlanwalts- und PKH-Anwaltsgebühren zu verrechnen sind oder nicht.
Und schließlich gibt es Anwälte, die beim Abschluss von Vergleichen übersehen, dass auch eine Regelung über die geltend gemachte Geschäftsgebühr getroffen werden muss, will man Nachteile im Kostenfestsetzungsverfahren vermeiden.
Solche Versäumnisse versuchen Anwälte dann in der Weise aufzuarbeiten, dass sie die unsinnige Behauptung aufstellen, § 15a Abs. 2, 3. Var. VV fordere in jedem Fall eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr, unabhängig davon, was mit der Geschäftsgebühr geschehen sei.
Solche Kollegen, die entsprechende Gerichtsentscheidungen herausfordern, haben eben nicht verstanden oder wollen nicht verstehen: § 15a RVG stellt klar, dass lediglich eine Doppeltitulierung vermieden werden soll, so dass es definitiv nicht darauf ankommt, ob man das Hauptverfahren und das anschließende Kostenfestsetzungsverfahren als ein Verfahren oder als zwei unterschiedliche Verfahren bewertet.
Wenn man an Kolleginnen und Kollegen denkt, die solche Neuprobleme verursachen, wird einem klar, dass offenbar auch im Gebührenrecht gilt: "Wenn die Sonne tief steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten."
Ihr H. P. Schons