RVG § 15 Abs. 1; RVG VV Nr. 7002
Leitsatz
Bei der anwaltlichen Vertretung im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und im nachfolgenden gerichtlichen Bußgeldverfahren handelt es sich um verschiedene Angelegenheiten, sodass die Postentgeltpauschale zweimal anfällt.
LG Konstanz, Urt. v. 11.12.2009–11 S 80/09 E
Sachverhalt
Der Verteidiger war für seinen rechtsschutzversicherten Mandanten in einem Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und sodann im anschließenden erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren tätig. Bei dem Rechtsschutzversicherer reichte er dann seine Rechnung ein, mit der er u.a. sowohl für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde als auch für das erstinstanzliche gerichtliche Verfahren jeweils eine Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV berechnete. Der Versicherer zahlte nur eine Pauschale. Die daraufhin eingereichte Klage des Mandanten gegen seinen Rechtsschutzversicherer auf Zahlung der zweiten Postentgeltpauschale war in erster Instanz vom AG abgewiesen worden. Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers hatte Erfolg.
Aus den Gründen
Bei der anwaltlichen Vertretung im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und im nachfolgenden gerichtlichen Bußgeldverfahren handelt es sich um die Vertretung in verschiedenen Angelegenheiten, sodass die Pauschale für Post- und Kommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV zweimal anfällt.
Dies legt schon die Ausgestaltung der für die Vertretung in Bußgeldsachen entstehenden Gebühren in Teil 5 VV nahe. Dort sind die Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das gerichtliche Verfahren im ersten Rechtszug in einzelnen Unterabschnitten gesondert dargestellt, für die jeweilige Vertretung fallen gesonderte Gebühren an. Hinzu kommt, dass erhebliche Parallelen zu den Regelungen des § 17 Nr. 1 und Nr. 9 RVG bestehen, die dafür sprechen, in der vorliegenden Konstellation von verschiedenen Angelegenheiten auszugehen.
Das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde entspricht in Struktur und Ausgestaltung eher dem Verwaltungsverfahren nach § 17 Nr. 1 RVG als dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Schon deswegen können auch aus der Frage, ob strafrechtliches Ermittlungsverfahren und gerichtliches Strafverfahren eine oder verschiedene Angelegenheiten darstellen, für die vorliegende Konstellation keine entscheidenden Schlüsse gezogen werden. In Hinblick auf die vollständige Neuregelung der Gebühren für Bußgeldsachen im RVG kommt auch der zur Regelung in der BRAGO vertretenen Auffassung keine entscheidende Bedeutung mehr zu. Aus § 17 Nr. 10 RVG lassen sich schon deswegen keine entscheidenden Schlüsse ziehen, weil hier alleine eine zur BRAGO bestehende Streitfrage positiv geklärt werden sollte, ein darüber hinausgehender gesetzgeberischer Wille lässt sich der Regelung nicht entnehmen.
Im Ergebnis ist daher von unterschiedlichen Angelegenheiten auszugehen (vgl. auch AG Friedberg NJW-RR 2009, 560 f. [= AGS 2009, 225]; AG Aachen zfs 2009, 647 m. Anm. Hansens; AG Detmold zfs 2007, 405 ff. jeweils mit Nachweisen der Gegenauffassung).
Dementsprechend war die amtsgerichtliche Entscheidung abzuändern und die Beklagte zur Zahlung der noch offenen Pauschale zu verurteilen.