I. Der Fall
Die Anwältin war vor dem AG Pinneberg (47 F 197/09) in einem Verfahren auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts tätig. Sie hatte für die Mandantin die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts beantragt, da diese aus der ehelichen Wohnung ausziehen und die Kinder mitnehmen wollte. Der Ehemann widersprach. Das Gericht bewilligte beiden Beteiligten unter Beiordnung der jeweiligen Anwälte ratenfreie Verfahrenskostenhilfe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung wies das Gericht darauf hin, dass die Sache noch nicht entscheidungsreif sei. Es erließ daraufhin folgende einstweilige Anordnung: "Der derzeitige Aufenthaltsort der Kinder ... darf nicht ohne Zustimmung des anderen Elternteils von einem der Elternteile geändert werden." Im Protokoll heißt es weiter: "Gem. § 156 Abs. 3 S. 1 FamFG ist der Erlass der einstweiligen Anordnung mit den Beteiligten erörtert worden."
Im Folgenden wurde strittig, wie abzurechnen sei. Das FamG verfügte am 22.2.2010 Folgendes: "In der Familiensache ... teilt das Gericht mit, dass einstweilige Anordnungen nach § 156 Abs. 3 FamFG nicht zu einem gesonderten Verfahrensgegenstand führen. Sie sind mithin nicht streitwerterhöhend."
Wie ist zutreffend abzurechnen?
II. Vorbemerkung
Es ist bereits fraglich, ob die seitens des FamG erlassene einstweilige Anordnung zulässig gewesen ist. In den die Person eines Kindes betreffenden Verfahren (§ 151 Nr. 1–3 FamFG) hat das Gericht gem. § 156 Abs. 1 FamFG eine besondere Pflicht, auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinzuwirken. Kann in einer Kindschaftssache, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betrifft, in dem gemäß § 155 Abs. 2 FamFG anzuberaumenden Termin eine einvernehmliche Regelung nicht erzielt werden, so hat das FamG nach § 156 Abs. 3 S. 1 FamFG den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erörtern und ist nach § 156 Abs. 3 S. 2 FamFG berechtigt, jedenfalls den Umgang durch einstweilige Anordnung zu regeln oder auszuschließen.
Die Regelung soll verhindern, eine dem Kindeswohl abträgliche Situation herbeizuführen und vollendete Tatsachen zu schaffen. Aus dem Wortlaut des § 156 Abs. 3 S. 2 FamFG und der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass das FamG in Umgangsverfahren einstweilige Anordnungen von Amts wegen erlassen kann, sofern das Verfahren auch materiell-rechtlich grundsätzlich von Amts wegen eingeleitet und betrieben werden kann (§§ 1684 Abs. 3 S. 1, 1685 Abs. 3 BGB). In Verfahren aber, die den Aufenthalt oder die Herausgabe des Kindes betreffen, bedarf es nach den §§ 1632 Abs. 3, 1671 Abs. 1 BGB eines Antrages, so dass auch eine entsprechende einstweilige Anordnung nur auf Antrag erlassen werden kann. Die Einleitung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens gem. § 156 Abs. 3 FamFG kam daher von Amts wegen nicht in Betracht, und zwar selbst dann nicht, wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Denn diesen Fall erfasst § 157 Abs. 3 FamFG.
Unabhängig davon, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung von Amts wegen bereits nicht zulässig gewesen ist, beschreibt der Tenor der Entscheidung auch nur eine bei gemeinsamer elterlicher Sorge bereits bestehende Verpflichtung. Ziel des FamG war es aber, eine Änderung des "status quo" zu verhindern. Dieses Ziel hätte allerdings nur durch Entziehung eines Teiles der elterlichen Sorge zu Lasten der Antragstellerin bzw. durch Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis hinsichtlich des Aufenthaltes der Kinder auf den Antragsgegner nach § 157 Abs. 3 FamFG erreicht werden können. Eine Kindeswohlgefährdung hatte indes gar nicht vorgelegen.
Fest steht danach, dass das FamG unter den Voraussetzungen des § 156 Abs. 3 FamFG gar nicht hätte einschreiten können und nicht berechtigt war, eine einstweilige Anordnung ohne Antrag zu erlassen.
All diese Umstände sind für das Gebührenrecht aber irrelevant, da ein einstweiliger Anordnungsbeschluss verkündet worden und damit ein Verfahrensgegenstand in der Welt ist.
III. Lösung
Einstweilige Anordnungen sind nach § 17 Nr. 4 Buchst. b) RVG selbstständige Angelegenheiten. Das gilt auch für eine einstweilige Anordnung nach § 156 Abs. 3 FamFG. Denn dabei handelt es sich formal um eine solche nach den §§ 49, 51 Abs. 1 FamFG und sie ist deshalb auch nicht anders zu behandeln.
Das FamG hätte demgemäß nach Durchführung der Erörterungen und seinem Entschluss von Amts wegen ein einstweiliges Anordnungsverfahren einleiten und eine gesonderte Akte mit einem gesonderten Aktenzeichen anlegen müssen (§ 51 Abs. 3 FamFG).
Nach Nr. 1410 FamGKG-KostVerz. löst eine einstweilige Anordnung Gerichtsgebühren aus, so dass das Gericht auch nach § 56 FamGKG einen Verfahrenswert hätte festsetzen müssen. Denn die Gebühren richten sich nach dem Wert des Verfahrensgegenstandes (§ 3 Abs. 1 FamGKG). Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist der Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen (§ 41 S. 1 FamGKG), so dass sich der Verfahrenswert nach den §§ 41, 45 Nr. 1 FamGKG auf 1.500,00 EUR belaufen müsste.
Für die beteiligte...