FamFG § 78 Abs. 2
Leitsatz
- Für ein Verfahren, welches lediglich die Frage der weiteren Ausgestaltung des bereits durch gerichtliche Entscheidung geregelten Umgangs zwischen minderjährigen Kindern und dem nichtbetreuenden Elternteil (vorliegend: Ausdehnung des Umgangs auf einen zusätzlichen Nachmittag in der Woche) betrifft, ist regelmäßig die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten nicht erforderlich.
- Nach der Regelung durch § 78 Abs. 2 FamFG ergibt sich eine Notwendigkeit zur Anwaltsbeiordnung auch nicht allein aus der Tatsache, dass ein anderer Verfahrensbeteiligter anwaltlich vertreten ist.
OLG Celle, Beschl. v. 15.2.2010–10 WF 59/10
Sachverhalt
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die Eltern der betroffenen Söhne, die im Haushalt des Kindesvaters leben; der Umgang der Söhne mit der Kindesmutter findet entsprechend einer amtsgerichtlich für verbindlich erklärten Vereinbarung vierzehntägig von Freitag nach der Schule bis Sonntag 18:00 Uhr statt.
Im vorliegenden – im November 2009 eingeleiteten – Verfahren erstrebt die Kindesmutter unter Berufung auf entsprechend geäußerte Wünsche der Söhne eine Ausweitung des Umgangs, der auch jeweils am Dienstagnachmittag von Schulschluss bis 19:00 Uhr erfolgen soll. Der Kindesvater wähnt dadurch das Kindeswohl beeinträchtigt; der ältere Sohn habe schulische Probleme und benötige dringend die tägliche Hausaufgabenkontrolle, die durch die Kindesmutter nicht erfolge; auch der jüngere Sohn bedürfe – seinerseits ohne schulische Schwierigkeiten – in der fünften Klasse der Hausaufgabenkontrolle; zudem werde der Tagesablauf der Söhne durch wöchentliche Umgangskontakte gestört.
Das AG hat beiden Eltern antragsgemäß Verfahrenskostenhilfe (VKH) bewilligt, die Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten jedoch jeweils nach § 78 Abs. 2 FamFG versagt, da eine anwaltliche Vertretung angesichts der geringen Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage nicht erforderlich sei.
Gegen die Versagung der Anwaltsbeiordnung richtet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners, der sich insbesondere auf die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin beruft. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
Nach der seit September 2009 – also auch für das vorliegende Verfahren – maßgeblichen Regelung in § 78 Abs. 2 FamFG erfolgt für Verfahren, in denen – wie vorliegend – die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, im Rahmen der VKH die Beiordnung eines Anwaltes nur noch dann, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint, also in qualifizierten Ausnahmefällen (vgl. insoweit etwa Zöller-Geimer, ZPO, § 27 FamFG Rn 4 f.).
Wie der Senat zwischenzeitlich wiederholt entschieden hat (vgl. Senatsbeschl. v. 9.2.2010–10 WF 53/10 – sowie v. 11.2.2020–10 WF 57/10), liegt ein derartiger Ausnahmefall regelmäßig nicht vor, wenn es in dem betreffenden Verfahren lediglich um die weitere Ausgestaltung eines bereits durch gerichtliche Entscheidung geregelten Umganges zwischen minderjährigen Kindern und dem nichtbetreuenden Elternteil geht. Ohne das Hinzutreten besonderer Umstände, die im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich sind, kann in derartigen Fällen nicht von einer die Anwaltsbeiordnung rechtfertigenden Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage ausgegangen werden; dies gilt umso mehr, wenn – wie vorliegend – die Beteiligten aus einer Mehrzahl von Verfahren selbst bereits über Vorkenntnisse verfügen und das AG durch Bestellung eines Verfahrensbeistandes eine besonders intensive Amtsaufklärung betreibt.
Wie die Frage der Anwaltsbeiordnung für Verfahren zu entscheiden ist, in denen es um die erstmalige Regelung eines bislang gar nicht stattfindenden und auch grundsätzlich in Frage gestellten Umganges geht, bedarf hier keiner Entscheidung; insofern gibt auch der zu einer solchen Ausgangslage ergangene und von der Antragstellerin in Berufung genommene Beschluss des 17. Zivilsenates des OLG Celle v. 11.11.2009–17 WF 131/09 – für den Streitfall nichts her.
Ohne Erfolg versucht sich der Antragsgegner schließlich auf den Gesichtspunkt zu stützen, dass die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren ihrerseits durch eine – allerdings ihr ebenfalls nicht im Rahmen der VKH beigeordnete – Rechtsanwältin vertreten wird. Ganz bewusst anders als in § 121 Abs. 2 ZPO (der über § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG ausschließlich in – hier nicht gegebenen – Ehe- und Familienstreitsachen Anwendung findet) hält der Gesetzgeber in § 78 Abs. 2 FamFG die Beiordnung eines Rechtsanwaltes nicht allein aufgrund der anwaltlichen Vertretung eines anderen Beteiligten für erforderlich; insofern vermag das Argument der bloßen (formalen) "Waffengleichheit" im Bereich der Amtsermittlung gem. § 26 FamFG nicht mehr zu tragen.