RVG § 7 Abs. 1; RVG VV Nr. 1008; ZPO § 567 Abs. 2
Leitsatz
- Bei einem Parteiwechsel auf Beklagtenseite sind mehrere Personen Auftraggeber des die beklagte Seite vertretenden Rechtsanwalts. Dies gilt auch dann, wenn die zunächst verklagte Partei bei Klageerhebung nicht mehr existiert oder wenn eine andere (juristische) Person ein berechtigtes Interesse daran hat, sich gegen die Klage zu wehren.
- Bei der Berechnung des Beschwerdewerts ist die Umsatzsteuer mit zu berücksichtigen.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 14.1.2010–6 W 16/10
Sachverhalt
Im Dezember 2004 erhoben die Kläger eine Zahlungsklage gegen die Landeskreditbank X. Die Beklagtenvertreter trugen in Vertretung sowohl der Landeskreditbank X.-Förderbank als auch der Landesbank X. vor, dass das Vermögen der Landeskreditbank X. aufgrund Gesetzes im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf die Landesbank X. übergegangen sei.
Daraufhin erklärte der Kläger, dass sich die Klage gegen die Landesbank X. als Rechtsnachfolgerin der Landeskreditbank X. richten solle.
Das LG wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers blieb in der Sache ohne Erfolg.
Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragten die anwaltlichen Vertreter der Beklagten, für die erste Instanz eine um 0,3 auf 1,6 erhöhte Verfahrensgebühr festzusetzen, weil sie zwei Auftraggeber vertreten hätten. Die Kostenbeamtin des LG hielt im Kostenfestsetzungsbeschluss nur eine 1,3-Verfahrensgebühr für erstattungsfähig und wies deshalb den Antrag auf Festsetzung einer Mehrvertretungsgebühr zurück. Dagegen legte die Beklagte Beschwerde ein.
Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde, über die der Einzelrichter zu entscheiden hat (§ 568 S. 1 ZPO), ist zulässig.
Sie ist statthaft (§ 104 Abs. 3 S. 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG) und in der Frist und Form des § 569 ZPO eingelegt worden. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200,00 EUR (§ 567 Abs. 2 ZPO). Zwar beanstandet die Beschwerdeführerin lediglich, dass die Kostenbeamtin die 0,3-Mehrvertretungsgebühr (die hier 169,80 EUR ausmacht) nicht festsetzte. Zu diesem Betrag kommt jedoch noch die Umsatzsteuer (von 19 %) hinzu; es ergibt sich dann eine Differenz von 202,06 EUR zwischen dem von der Beklagten beantragten und dem festgesetzten Betrag.
Die Umsatzsteuer ist bei der Berechnung des Beschwerdewerts mit zu berücksichtigen (OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.6.2007–6 W 1127/07; OLG Koblenz MDR 1992, 196; OLG Düsseldorf MDR 1957, 239; Schneider, JurBüro 1974, 966; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 104 Rn 21 "Beschwer"; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 567 Rn 19). Zwar bildet sie beim Rechtsanwalt nur einen durchlaufenden Posten. Das gilt jedoch nicht für die Partei (sofern sie nicht ebenfalls vorsteuerabzugsberechtigt ist; hiernach zu differenzieren widerspräche aber der im Kostenrecht gebotenen typisierenden Betrachtungsweise, vgl. BGH NJW 2006, 3008; NJW 2003, 901 [= AGS 2003, 368]). Auch § 4 Abs. 1 ZPO spricht für die Berücksichtigung der Umsatzsteuer. Diese Vorschrift klammert bei der Wertberechnung nur "Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten" aus, nicht aber Steuerbeträge. § 4 Abs. 1 ZPO bildet insoweit eine erschöpfende Regelung (OLG Düsseldorf a.a.O.).
III. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
1. Den anwaltlichen Vertretern der Beklagten steht für das Verfahren im ersten Rechtszug eine um 0,3 erhöhte Verfahrensgebühr zu (§ 7 Abs. 1 RVG, Nr. 1008 VV).
Zutreffend ging das LG davon aus, dass die Beklagtenvertreter in ein und derselben Angelegenheit tätig wurden (§ 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 S. 1 RVG). Der Parteiwechsel begründete keine neue gebührenrechtliche Angelegenheit (BGH NJW 2007, 769 [= AGS 2006, 583]). Die trotz des Parteiwechsels gegebene Kontinuität des gerichtlichen Verfahrens verbindet die Vertretung wechselnder Parteien zu einer einzigen Angelegenheit. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Rechtsanwalt gleichzeitig oder nacheinander für mehrere Auftraggeber tätig wird (BGH, a.a.O.).
Die Meinung des LG, den Beklagtenvertretern stehe keine Mehrvertretungsgebühr zu, teilt das Beschwerdegericht aber nicht. Handelt es sich bei den Auftraggebern des Rechtsanwalts um mehrere Personen, dann erhöht sich die Verfahrensgebühr für jede weitere Person um 0,3 (Nr. 1008 VV). Das LG begründete seine Auffassung damit, auf Beklagtenseite sei nur eine Partei vorhanden. Aus dem Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 24.2.2005 ergibt sich jedoch, dass diese zwei Personen, nämlich die Landeskreditbank X.-Förderbank und die Landesbank X., vertraten. Sie erklärten nämlich: "Vorsorglich bestellen wir uns sowohl für die Landeskreditbank X.-Förderbank als auch für die Landesbank X. ..."
Dass die ursprünglich verklagte Landeskreditbank X. bei Klageerhebung nicht mehr existierte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auch eine nicht existente Partei ist in dem gegen sie gerichteten Prozess parteifähig (BGHZ 177,12/24; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., vor § 50 Rn 11 m. w. Nachw.) und bedarf anwaltlichen Beistands. Aus Sicht der Landeskreditbank X.-Förderbank, die ihre Geschäfte unter derselben Adresse betre...