RVG VV Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104;FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 128

Leitsatz

Entscheidet das FamG in einer Unterhaltssache im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, entsteht gem. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV eine Terminsgebühr.

OLG Hamm, Beschl. v. 25.10.2010 – 6 WF 356/10

1 Sachverhalt

Zugrunde lag ein Unterhaltsverfahren, in dem das FamG im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat.

Durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat das FamG gegen den Antragsgegner einen Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerin festgesetzt. Die Festsetzung einer Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) hat das FamG abgelehnt.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen

Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist abzuändern. Die der Antragstellerin entstandenen und vom Antragsgegner zu erstattenden außergerichtlichen Kosten umfassen auch die geltend gemachte Terminsgebühr, da (auch) eine solche Gebühr angefallen ist.

Wie unstreitig ist, hat zwischen den Anwälten der Beteiligten vor Abschluss des Vergleichs ein Telefonat über dessen Inhalt stattgefunden. Dieses Telefonat ist als eine auf Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var. VV zu werten.

Der Umstand, dass nach der vom AG zitierten Rspr. des BGH durch eine Besprechung der Anwälte eine Terminsgebühr nur in Verfahren mit obligatorischer mündlicher Verhandlung ausgelöst wird, rechtfertigt keine andere Beurteilung, da hier ein solches Verfahren vorliegt.

In sog. Familienstreitsachen (§ 112 FamFG), zu denen auch Unterhaltssachen (§ 231 Abs. 1 FamFG) gehören, hat erstinstanzlich gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 128 Abs. 1 ZPO grundsätzlich eine mündliche Verhandlung stattzufinden (Keidel-Weber, FamFG, 16. Aufl., Rn 7 zu § 113). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass gem. § 116 Abs. 1 FamFG in Familiensachen durch Beschluss zu entscheiden ist und dass gem. § 128 Abs. 4 ZPO Entscheidungen, die nicht Urteile sind, ohne mündliche Verhandlung ergehen können, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 128 Abs. 4 ZPO bezieht sich nicht auf die erste Instanz abschließende Endentscheidungen (so offenbar auch: Weber a.a.O.). Dementsprechend geht auch die kostenrechtliche Fachliteratur (vgl. Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., Vorbem. 3 VV Rn 106) ohne weiteres davon aus, dass auf der Grundlage der Rspr. des BGH in Familienstreitsachen jedenfalls in der ersten Instanz eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var. VV entstehen kann.

3 Hinweis der Schriftleitung

Siehe auch die nachfolgende Entscheidung des KG.

4 Anmerkung

Die Entscheidung ist zutreffend. Das FamFG unterscheidet zwischen

  Ehe- und Folgesachen,
  Familienstreitsachen,
  Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

In Ehe- und Folgesachen sowie Familienstreitsachen gelten über § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die Vorschriften der ZPO für das Verfahren vor dem LG entsprechend. Insoweit ist auch § 128 ZPO anzuwenden, wonach mündlich zu verhandeln ist.

Folglich handelt es sich in Ehe- und Folgesachen sowie in Familienstreitsachen um Verfahren mit obligatorischer mündlicher Verhandlung, so dass hier auch die Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV anfällt, wenn eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht oder die Beteiligten in einem solchen Verfahren einen Vergleich schließen.

Anders verhält es sich dagegen in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Hier ist strittig, ob bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bzw. bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs eine Terminsgebühr anfallen kann.

Verneint wird dies häufig mit der Begründung, dass in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine mündliche Verhandlung stattfinde, sondern dass hier lediglich Erörterungstermine vorgesehen seien. Abgesehen davon ordnet das Gesetz nur in bestimmten Fällen an, dass erörtert werden "solle", so dass ein Erörterungstermin in das Ermessen des Gerichts gestellt werde.

Dagegen wird jedoch zu Recht angeführt, dass eine Erörterung in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit einer mündlichen Verhandlung in Familienstreitsachen gleichkomme und eine Differenzierung daher nicht sachgerecht sei.

Darüber hinaus ist die Anberaumung eines Erörterungstermins dem Gericht auch nicht freigestellt. In den Fällen, in denen das Gericht anordnet, dass ein Erörterungstermin stattfinden soll, kann das Gericht nur im Einverständnis der Beteiligten davon Abstand nehmen. Damit sind aber wiederum die Voraussetzungen der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV erfüllt.

Daher hat das OLG Stuttgart[1] in einem Sorgerechtsverfahren die Terminsgebühr auch bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugesprochen. Gleiches muss auch in den anderen Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten, in denen ein Erörterungstermin nach dem FamFG vorgeschrieben ist:[2]

  §§ 155 Abs. 2, 157 Abs. 2 S. 1 FamFG für Kindschaftssachen nach den §§ 151 ff. FamFG,
  § 165 Abs. 2 FamFG für Vermittlungsverfahren nach § 165 FamG,
  § 175 Abs. 2...

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