Der Auffassung des OLG ist zu folgen. Die Begründung seiner Entscheidung stellt zutreffend auf den Einzelfall ab und würdigt die Abweichung vom Regelfall in angemessener Art und Weise. Der sich für Verfahren der elterlichen Sorge aus § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG ergebende Regelwert kann wie in allen Kindschaftssachen des § 151 Nr. 1 bis 3 FamFG auf der Grundlage der Vorschrift des § 45 Abs. 3 FamGKG herauf- oder herabgesetzt werden und zwar dann, wenn der nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist.

Eine erhebliche Abweichung vom Durchschnittsfall wird nicht gefordert.[1] Die Bemessungskriterien, die eine Erhöhung des Regelwerts rechtfertigen, sind deshalb stets am Bezugspunkt "einfach gelagerter Ausgangsfall" zu orientieren. Ausgehend davon hat das OLG die Einholung eines Sachverständigengutachtens und Kindesanhörungen in mehr als einem Termin als rechtfertigende Gründe für eine Abweichung vom Regelwert und mit 5.000,00 EUR als angemessen bewertet angesehen.

Weitere Kriterien,[2] die eine Erhöhung des Regelwertes des § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG nach § 45 Abs. 3 FamGKG rechtfertigen können, sind Folgende:

  eine Vielzahl im Verfahren zu berücksichtigender Beteiligter,
  Einholung eines oder mehrerer Sachverständigengutachten,
  Anhörung des Sachverständigen,
  Dauer der Begutachtung,
  Ordnungsgelder gegen den Sachverständigen,
  Interesse der Beteiligten an einer gerichtlichen Regelung,
  mangelnde Kooperationsbereitschaft der Beteiligten,
  Berücksichtigung ausländischen Rechts,
  Persönlichkeitsstörung der Eltern[3] etc.

Auffassungen, wie sie das OLG Koblenz[4] in einem Verfahren auf Übertragung der elterlichen Sorge noch zu § 30 KostO vertreten hat, sind als geradezu realitätsfern abzulehnen: Es hatte drei mündliche Verhandlungstermine bei einer Gesamtdauer von sechs Stunden als Durchschnittsfall angesehen. Die vom OLG Koblenz berücksichtigten Umstände beschreiben aber unter keinem denkbaren Gesichtspunkt den Regelfall, den der Gesetzgeber nunmehr mit § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG bewertet wissen wollte. Anderenfalls würde § 45 Abs. 3 FamGKG leer laufen.

FAFamR Lotte Thiel, Koblenz

[1] Schneider/Wolf/Volpert, § 45 Rn 18.
[2] Schneider/Thiel, Die Abweichung vom Regelverfahrenswert, FPR 2010, 323.
[3] OLG Hamburg AGS 2010, 248.
[4] OLG Koblenz FamRZ 2009, 1433.

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