FamGKG § 45 Abs. 1 u. 3
Leitsatz
Die Anhebung des Verfahrenswertes erscheint regelmäßig angezeigt, wenn in einem Sorgerechtsverfahren die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens geboten ist und das FamFG die Beteiligten – unabhängig von einer gesonderten Kindesanhörung – in mehr als einem Termin anhört.
OLG Celle, Beschl. v. 11.2.2011 – 10 WF 399/10
1 Sachverhalt
Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Aus ihrer Ehe ist das betroffene Kind M. hervorgegangen. Nach der räumlichen Trennung der Eltern lebte M. zunächst bei dem Antragsteller. Aufgrund Beschluss des FamG wurde im Dezember 2007 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. auf die Kindesmutter übertragen. Das Kind wechselte daraufhin in den Haushalt der Kindesmutter, wo es in der Folgezeit lebte. Seit dem November 2010 lebt M. wieder bei dem Antragsteller.
Im vorliegenden Verfahren hat der Kindesvater das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht der Gesundheitssorge und das alleinige Entscheidungsrecht in schulischen Angelegenheiten und in solchen der Berufsausbildung für das Kind begehrt.
Das FamG hat einen Termin zur Anhörung der Beteiligten durchgeführt, zu dem es die Kindeseltern, ihre Verfahrensbevollmächtigten, das Jugendamt, einen Verfahrensbeistand und eine Dolmetscherin geladen hat. Anschließend hat das FamG ein Sachverständigengutachten zur Erziehungsfähigkeit der Eltern eingeholt. Nach Eingang des schriftlichen Sachverständigengutachtens und einer schriftlichen Stellungnahme des Verfahrensbeistandes hat das AG einen weiteren Termin zur Erörterung bestimmt, in dem die beteiligten Eltern jeweils die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sich begehrt haben. Im weiteren Termin ist das betroffene Kind angehört worden. Das FamG hat den Beteiligten den wesentlichen Inhalt der Kindesanhörung mitgeteilt, wonach M. sich für einen zukünftigen Lebensmittelpunkt bei dem Kindesvater ausgesprochen hat, und Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme gegeben. In dieser Zeit kam es zu weiteren Unstimmigkeiten zwischen den Beteiligten, weil M. unentschuldigt im Hort fehlte und weil die Antragsgegnerin M. nicht zu einem vereinbarten Umgangskontakt mit dem Antragsteller brachte. Durch Beschluss hat das daraufhin das FamG die elterliche Sorge für das betroffene Kind auf den Vater übertragen und den Verfahrenswert auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gegen diese Wertfestsetzung wendet sich die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mit ihrer Beschwerde, mit der sie eine wesentliche Erhöhung des Verfahrenswertes begehrt.
Das FamG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Verfahrenswert beträgt gem. § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG in Kindschaftssachen, die die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge betreffen, 3.000,00 EUR. Sofern dieser Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist, kann nach § 45 Abs. 3 FamGKG ein höherer oder niedrigerer Wert festgesetzt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann dies insbesondere dann der Fall sein, wenn das Verfahren besonders umfangreich und schwierig ist oder wenn die Beteiligten nur über ein geringes Einkommen verfügen und das Verfahren sich einfach gestaltet (BT-Drucks 16/6308, S. 306). Eine Abweichung vom Festbetrag ist also nur ausnahmsweise geboten, wenn der zu entscheidende Fall hinsichtlich des Arbeitsaufwandes für das Gericht und für die Verfahrensbevollmächtigten erheblich von einer durchschnittlichen Sorgerechtssache abweicht und der Verfahrenswert im Einzelfall zu unvertretbar hohen oder unangemessen niedrigen Kosten bzw. Gebühren führt. Insoweit kann nicht unmittelbar auf die in der Rspr. nach der bis zum 31.8.2009 geltenden Rechtslage entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.2.1999 – 1 UF 77/97, NJW-RR 2000, 952), weil an die Stelle des bisherigen Regelwertes ein (relativer) Festwert getreten ist (vgl. Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein-Keske, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 8. Aufl., S. 2037).
Die Anhebung des Verfahrenswertes erscheint regelmäßig angezeigt, wenn in einem Sorgerechtsverfahren die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens geboten ist und das AG die Beteiligten – unabhängig von einer gesonderten Kindesanhörung – in mehr als einem Termin anhört. Die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens ist insbesondere in rechtlich und tatsächlich schwierigen Sorgerechtssachen erforderlich. Sofern das AG ein Gutachten einholt, handelt es sich in der Regel um Verfahren, die länger als üblich andauern. Außerdem führt die Einholung eines Gutachtens zu einem verhältnismäßig umfangreichen Akteninhalt, den das Gericht und die Verfahrensbevollmächtigten erfassen und auswerten müssen. Der Arbeitsaufwand weicht jedenfalls dann erheblich von einer durchschnittlichen Sorgerechtssache ab, wenn zusätzlich zur Einholung des Sachverständigengutachtens mehrere Termine zur Erörterung und Anhörung der Bet...