RVG § 48 Abs. 3
Leitsatz
- Erstreckt sich die für eine Ehesache bewilligte Prozesskostenhilfe gem. § 48 Abs. 3 S. 1 RVG auf den Abschluss eines Vergleichs über eine nicht rechtshängige Angelegenheit, so stehen dem Prozessbevollmächtigten bezüglich dieser Angelegenheit neben der 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV auch die 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV und die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV zu.
- Dies gilt auch für einen Vergleich über Kindesunterhalt für die Zeit vor Rechtskraft der Scheidung.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.12.2010 – 7 WF 1773/10
1 Sachverhalt
Das FamG hatte den Antragstellern für die Ehesache Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt und einen Rechtsanwalt beigeordnet.
Zunächst machte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin eine Auskunftsklage wegen Kindesunterhalts als Folgesache anhängig und beantragte hierfür Prozesskostenhilfe. Nach erteilter Auskunft stellte er einen Antrag auf Leistung und zwar auch für die Zeit vor Rechtskraft der Scheidung. Nachdem das AG darauf hingewiesen hatte, dass Kindesunterhalt als Folgesache nur ab Rechtskraft der Scheidung verlangt werden kann, stellte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin den Leistungsantrag dementsprechend um und beantragte nunmehr hierfür Prozesskostenhilfe. Das Gericht gewährte die Prozesskostenhilfe sodann auch auf die Folgesache Kindesunterhalt.
Im Termin einigten sich die Parteien schließlich hinsichtlich des Kindesunterhaltes und zwar auch für die Zeit vor Rechtskraft der Scheidung. Aufgrund des vor Abschluss des Vergleiches gestellten Antrags, erstreckte das FamG die bereits bewilligte Prozesskostenhilfe auch auf den Abschluss des Vergleiches.
Den überschießenden Vergleichswert hinsichtlich des Kindesunterhaltes (Kindesunterhalt für die Zeit vor Rechtskraft der Scheidung) setzte das FamG auf 2.341,00 EUR fest. Im Vergütungsfestsetzungsverfahren beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin auch die Verfahrensdifferenzgebühr gem. Nr. 3101 VV aus dem überschießenden Vergleichswert sowie die Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV aus dem um den überschießenden Vergleichswert erhöhten Streitwert und beantragte eine Vergütung in Höhe von 1.149,54 EUR.
Das FamG lehnte die Festsetzung der Terminsgebühr aus dem erhöhten Streitwert sowie die der Verfahrensdifferenzgebühr ab mit der Begründung, dies sei von der PKH-Bewilligung nicht gedeckt, und setzte die zu erstattende Vergütung auf 1.130,50 EUR fest. Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte Erinnerung erhoben. Diese hat das FamG zurückgewiesen und die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Frage zugelassen.
Gegen diesen Beschluss, hat der Prozessbevollmächtigte Beschwerde eingelegt. Mit dieser verfolgt er sein ursprüngliches Ziel, seine Vergütung auf 1.149,54 EUR festzusetzen, weiter. Das FamG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
II. Die vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin eingelegte befristete Beschwerde ist statthaft. Zwar ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen einen Vergütungsfestsetzungsbeschluss nur dann gegeben, wenn der Beschwerdewert 200,00 EUR übersteigt (§ 56 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 3 S. 1 RVG) und dies ist hier nicht der Fall, da die Differenz zwischen der Vergütung, die der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin begehrt, und der festgesetzten Vergütung lediglich 19,04 EUR (= 1.149,54 EUR – 1.130,50 EUR) beträgt. Die Statthaftigkeit ergibt sich jedoch aus § 56 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 3 S. 2 RVG, da das AG in seinem Beschluss die Beschwerde wegen grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung anstehenden Frage zugelassen hat. Die Beschwerde ist auch zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt worden ist und der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beschwerdeberechtigt ist (§ 56 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 3 S. 3, Abs. 7 RVG).
Im vorliegenden Fall ist der Senat und nicht der Einzelrichter zuständig, da die Sache wegen der grundsätzlichen Bedeutung auf den Senat übertragen worden ist (§ 56 Abs. 1, Abs. 2, § 33 Abs. 8 S. 2 RVG).
III. Die Beschwerde hat in der Sache vollen Erfolg, da dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin aus der Staatskasse neben der 1,5-Einigungsgebühr aus dem überschießenden Vergleichswert gem. Nr. 1000 VV auch die 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr gem. Nr. 3101 Nr. 2 VV und die 1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV zu erstatten sind.
Unumstritten ist, dass, wenn im Rahmen einer mündlichen Verhandlung in einer Ehesache über nicht rechtshängige Angelegenheiten ein Vergleich geschlossen wird, dem Rechtsanwalt gegenüber seinem Mandanten aus dem hierauf entfallenden überschießenden Vergleichswert eine 1,5-Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV zusteht sowie eine 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr gem. Nr. 3101 Nr. 2 VV und eine 1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV. Wurde dem Mandanten Prozesskostenhilfe bewilligt, so ist umstritten, ob der Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes gegenüber der Staatskasse neben der Einigungsgebühr auch die...