Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass das Entfallen des Merkmals der "Ortsansässigkeit" in § 142 Abs. 1 StPO beim Pflichtverteidiger auch Auswirkungen für die Wahlverteidigung hat. Wenn nämlich für die Bestellung eines auswärtigen Pflichtverteidigers nur noch darauf abgestellt werde, ob der Bestellung des vom Beschuldigten benannten Rechtsanwalts "wichtige Gründe" entgegenstünden, wobei dem "Anwalt des Vertrauens" besonderes Gewicht eingeräumt worden sei, werde man auch bei der Erstattung der Wahlverteidigervergütung gem. § 464b StPO dem Beschuldigten nicht mehr entgegenhalten dürfen, dass er einen "auswärtigen Anwalt des Vertrauens" gewählt habe. Das LG Düsseldorf folgt dieser Auffassung nicht und hat in der vorliegenden Entscheidung zutreffend festgestellt, dass sich durch die Neufassung von § 142 Abs. 1 StPO nichts daran geändert hat, dass Reisekosten des auswärtigen Verteidigers nur im Falle ihrer Erforderlichkeit erstattungsfähig sind.
Beauftragt ein auswärtiger Angeklagter einen Verteidiger an seinem Wohnort, ist von der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten auszugehen, so dass es in diesem Fall nicht darauf ankommt, ob § 142 Abs. 1 StPO auch Auswirkungen für den Wahlverteidiger hat. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BGH in Zivilsachen sind regelmäßig die Mehrkosten erstattungsfähig, die anfallen, wenn eine nicht am Gerichtsort wohnende auswärtige Partei einen an ihrem Wohnort ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt. Auch in Strafsachen erscheint es deshalb gerechtfertigt, dem auswärtigen Beschuldigten die Beauftragung eines Verteidigers an seinem Wohnsitz auch aus erstattungsrechtlicher Sicht zuzugestehen, weil § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO in Bezug nimmt und diese Bestimmung damit auch in Strafsachen Erstattungsgrundlage ist.
Beauftragt der nicht am Gerichtsort ansässige Beschuldigte einen Rechtsanwalt an einem dritten Ort mit seiner Verteidigung, sind dessen Reisekosten zumindest in Höhe der fiktiven Reisekosten eines Verteidigers am Wohnort des Beschuldigten erstattungsfähig.
Die Frage, welche Bedeutung § 142 Abs. 1 StPO für die Reisekosten eines auswärtigen Wahlverteidigers hat, dürfte daher im Wesentlichen nur Bedeutung in den Fällen erlangen, in denen der am Gerichtsort wohnende Beschuldigte einen auswärtigen Rechtsanwalt mit der Verteidigung beauftragt hat. Es ist festzuhalten, dass die für die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen Wahlverteidigers geltenden §§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, 91 Abs. 2 S. 1 ZPO durch die Neufassung des für den Pflichtverteidiger geltenden § 142 Abs. 1 StPO nicht außer Kraft gesetzt worden sind. Allein aus dem Umstand, dass nach § 142 Abs. 1 StPO die Bestellung eines vom Beschuldigten benannten Verteidigers nur dann abzulehnen ist, wenn ein wichtiger Grund entgegensteht, kann nicht pauschal der Schluss gezogen werden, dass der Beschuldigte, dem kein Pflichtverteidiger zur Seite steht, mit erstattungsrechtlich zwingender Konsequenz einen Wahlverteidiger an einem beliebigen Ort hinzuziehen darf. Dem steht schon entgegen, dass der Vorsitzende bei der Pflichtverteidigerbestellung prüft, ob der Bestellung des auswärtigen Pflichtverteidigers ein wichtiger Grund entgegensteht. Diese gerichtliche Prüfung muss auch bei der Wahlverteidigung stattfinden, sie erfolgt dort durch die Notwendigkeitsprüfung gem. § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO.
Das LG Düsseldorf weist zutreffend darauf hin, dass es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach der Wahlverteidiger nicht schlechter gestellt werden darf als der Pflichtverteidiger. Das zeigen schon die unterschiedlichen Gebührensysteme (Festgebühren beim Pflichtverteidiger und Betragsrahmengebühren beim Wahlverteidiger, die durchaus unter den Festgebühren liegen können). Hinsichtlich der Reisekosten kann aber auch keine Schlechterstellung eintreten. Der auswärtige Pflichtverteidiger hat insoweit einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse (§§ 46, 55 RVG), der von dieser zwingend zu erfüllen ist. Das ist auch erforderlich, weil er die Reisekosten wegen § 52 Abs. 1 S. 2 RVG nicht von seinem Mandanten fordern kann. Der Wahlverteidiger hingegen erhält die Reisekosten von seinem Mandanten, so dass er wirtschaftlich nicht schlechter gestellt ist. Pflichtverteidigervergütungsfestsetzung gem. § 55 RVG und Kostenfestsetzung gem. §§ 464a Abs. 2, 464b StPO können nicht miteinander verglichen werden, weil dort anders als im Festsetzungsverfahren des Pflichtverteidigers gem. § 55 RVG nicht über den eigenen Vergütungsanspruch des Verteidigers, sondern über den Anspruch des Mandanten auf Erstattung der ihm entstandenen Verteidigerkosten entschieden wird. Für diesen Erstattungsanspruch gelten die Notwendigkeitskriterien aus § 91 Abs. 2 ZPO.
Dipl.-Rpfleger Joachim Volpert, Willich